Typografie und Bild barrierefrei
Kerstin Alexander von der Hochschule Merseburg hat gemeinsam mit ihren Studierenden sechs Studien zur Leserlichkeit von Typografie bzw. Lesbarkeit von Layout sowie sechs Studien zur Verständlichkeit von Bildern in der barrierefreien Kommunikation veröffentlicht. Barrierefreies Denken im Design hilft, empirische Forschung zur barrierefreien Kommunikation ein wenig zu begreifen. Menschen mit speziellen Lese- und Erklärungsbedürfnissen sollen besser informiert und ernst genommen werden. Die Überlegungen hierzu helfen nicht nur Gestaltern, die entsprechende Aufträge bearbeiten, sondern allen, die sich mit der Basis von Typografie und Bildwahrnehmung auseinandersetzen, denn bei Leichter Sprache kommt es auf Grundsätzliches an.
Die Autorin fasst in ihrer Einführung den Forschungsstand der barrierefreien Kommunikation zusammen, geht dabei von den bisherigen Regelwerken für Leichte Sprache aus. Ausführlich macht sie auf den Wissensstand zu Typografie und Layout in der Leichten Sprache aufmerksam, beschreibt detailliert Probleme der Schrift und deren Beschaffung, aber auch die Wirkung von Schrift auf mobilen Endgeräten. Ebenso beschäftigt sie sich mit dem Bild in diesem Umfeld, Bildfunktionen, Möglichkeiten des Bildeinsatzes für Leichte Sprache und auch damit, was innere Bilder bedeuten können.
Den Kern des Buches bilden die genau beschriebenen Studien. Erfreulich für Typografen ist, dass viele Annahmen, die aus der sorgfältigen gestalterischen Praxis kommen, durch die Forschung bestätigt werden.
Dass auf kostenfreie Schriftlizenzen besonders geachtet wird liegt sicher vor allem an der finanziellen Not im sozialen Bereich. So ergaben sich in den Forschungsstudien, dass beispielsweise der Unterschied der Lesegeschwindigkeit zwischen der Frutiger und der Open Sans sehr gering ist. Die Auswirkung von unterschiedlichen Zeilenabständen bei verschiedenen Schriften werden nachgewiesen. Dabei wird auch auf die irreführenden Angaben z.B. unter »Word« hingewiesen, wo typografisch Grundsätzliches immer noch ignoriert wird. Aus einem Qualitätsvergleich von verschiedenen frei verfügbaren Schriften gingen die Open Sans und die Gentium als »Testsieger« hervor.
Die in den Tests verwendeten Schriften lassen sich auch auf einer App vergleichen, die aus einem Text in Leichter Sprache besteht (http://kiw.hs-merseburg.de/wp-content/uploads/typo-app). Dabei ist Wirkung und Lesbarkeit des jeweiligen Regular-Schnitts vergleichbar. Und man sieht auch die Veränderungen, indem man den Schriftgrad größer stellt. Der Zeilenabstand bleibt dabei immer bei 150 %. Hierbei ist aber auch schon zu sehen, dass eine bisher in der Leichten Sprache angewandte Umbruchregel wie »jeder Satz beginnt auf einer neuen Zeile«, ins Absurde führt. Automatisch werden je nach Platzbedarf die Zeilen umbrochen und der Rest der Zeile steht dann eben auf den nächsten Zeile.
Juliane Wenzl (Illustratoren Organisation e.V.) hat die Publikation zum Bereich des Bildes durchgesehen:
Die derzeitige Diskussion zur Leichten Sprache ist geprägt von der Idee informierender und didaktischer Vermittlung, da sie nach der Gesetzgebung bzw. den angestrebten Regelungen erfolgt. Diese sollen vor allem öffentliche Einrichtungen in die Lage versetzen, Inhalte angemessen zu vermitteln.
Alexander zeigt auf, dass es in den vorliegenden Regelwerken zur Leichten Sprache bisher kaum verbindliche Empfehlungen gibt. Aus ihnen lassen sich lediglich acht Hinweise zur Bildverwendung ableiten, die aber auch auf Probleme hinweisen. So wird z. B. dazu geraten, Bilder wiederholt einzusetzen, damit diese von der Zielgruppe »erlernt« werden können. Das kann aber nur gelingen, wenn die Bilder immer im gleichen Kontext verwendet werden.
Die vorliegenden Studien, einschließlich der sechs in Alexanders Publikation, sind noch zu vereinzelt und zu wenig an klaren Parametern orientiert, als dass sich valide Empfehlungen für die Verwendung einer bestimmten Bildart in bestimmten Kontexten ableiten ließen. Festgestellt wurde, dass Invarianten und Komplexitätsreduktion die Lesbarkeit von Bildern erleichtern. Auch sollten sich Bildinhalte nicht so sehr an Objekten, als vielmehr an Tätigkeiten orientieren. Sprache und Bild sollten sich ergänzen und aufeinander verweisen.
In Hinblick auf die Sprache-Bild-Beziehung unterscheidet sich Leichte Sprache von Standardsprache. In einer Studie wird vermutet, dass Leser der Leichten Sprache an begleitetes Lesen gewöhnt sind, also an Interaktionen, die anhand eines Textes erfolgen. Das lässt die These zu, dass Zugänglichkeit und Verständlichkeit durch den Einsatz aufeinander verweisender Medien noch besser noch besser erreicht werden könnten.
Bilder machen sichtbar, sie können abbilden, zeigen und erzählen, dekorativ sein, Informationen vermitteln und zu einem Erkenntnisgewinn führen. Bilder können uns beeinflussen, etwas zu tun oder zu lassen. Sie können außerdem motivieren und die Aufmerksamkeit der Rezipienten halten oder auf etwas richten. Bilder tragen zur Erinnerung bei, wenn sie als inneres Bild wiederholt werden; die Aktivierung innerer Bilder trägt im Umkehrschluss zum Textverstehen bei.
Bildkonzepte im Kontext Leichter Sprache sollten, wie in anderen Kontexten auch, individuell, konsistent und der Aufgabe wie der Zielgruppe angemessen sein.
Die Studien genauer zu lesen lohnt sich, auch wenn die klammernde Klebebindung zum Aufschlagen des Buches Gewalt braucht.
Dringend müsste in diesen Bereichen weiter geforscht werden. Die Bereitschaft hierzu wäre da, aber die nötigen finanziellen Mittel fließen wohl woanders hin.
Kerstin Alexander (Hrg.)
Mit Typografie und Bild barrierefrei kommunizieren
Kommunikation – Partizipation – Inklusion
Forschungsstand und Studien
382 Seiten
Broschur
ISBN 978–3–7329–0584–3
49,80 Euro
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