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Schrift gibt Sprache ein Gewand, ist wort­gewandt, verwandelt Eindrücke in Infor­ma­tionen, formt Wissen und ist »Lebens­mittel«. Ergo: Typo­grafie geht uns alle an.
Boris Kochan

Typographische
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Buchbesprechung

Typografie und Bild barrierefrei

Rudolf Paulus Gorbach
20. Juni 2020
Jeder Text, der zum Lesen veröf­fentlicht wird, muss typo­grafisch bear­beitet sein. Das gilt auch, wo Einfache oder gar Leichte Sprache verwendet wird. Keine leichte, aber eine wichtige Aufgabe für Typo­grafen und Gestalter. Im Hintergrund steht die Forschung, die in Bezug auf den Einsatz barrie­re­freier Typo­grafie und Bilder noch in den Kinder­schuhen steckt.

Kerstin Alexander von der Hoch­schule Merseburg hat mit ihren Studie­renden sechs Studien zur Leser­lichkeit von Typo­grafie bzw. Lesbarkeit von Layout sowie sechs Studien zur Verständ­lichkeit von Bildern in der barrie­re­freien Kommu­ni­kation veröf­fentlicht.

Barrie­re­freies Denken im Design hilft dabei, empi­rische Forschung zur barrie­re­freien Kommu­ni­kation besser zu verstehen. Menschen mit speziellen Lese- und Erklä­rungs­be­dürf­nissen sollen besser informiert und ernst genommen werden.Diese Über­le­gungen sind nicht nur für Gestalter relevant, die an entspre­chenden Aufträgen arbeiten, sondern auch für alle, die sich mit den Grundlagen der Typo­grafie und Bild­wahr­nehmung ausein­an­der­setzen, denn bei Leichter Sprache kommt es auf Grund­sätz­liches an.

Die Autorin fasst in ihrer Einführung den Forschungsstand zur barrie­re­freien Kommu­ni­kation zusammen und geht hierbei von den bisherigen Regel­werken für Leichte Sprache aus. Ausführlich macht sie auf den Wissensstand zu Typo­grafie und Layout in der Leichten Sprache aufmerksam, beschreibt detailliert Probleme mit der Schrift und deren Beschaffung sowie die Wirkung von Schrift auf mobilen Endgeräten. Ebenso beschäftigt sie sich mit dem Bild in diesem Umfeld, Bild­funk­tionen, Möglich­keiten des Bild­ein­satzes für Leichte Sprache und auch damit, was innere Bilder bedeuten können.

Der Kern des Buches bilden die genau beschriebenen Studien. Erfreulich für Typo­grafen ist, dass viele Annahmen, die aus der sorg­fältigen gestal­te­rischen Praxis kommen, durch die Forschung bestätigt werden.

Dass auf kostenfreie Schrift­li­zenzen besonders geachtet wird, liegt sicher vor allem an der finan­ziellen Notlage im sozialen Bereich. So ergaben sich in Forschungs­studien, dass beispielsweise der Unter­schied in der Lese­ge­schwin­digkeit zwischen der Frutiger und der Open Sans sehr gering ist. Die Auswir­kungen von unter­schied­lichen Zeile­n­ab­ständen bei verschiedenen Schriftarten werden nach­ge­wiesen. Dabei wird auch auf die irre­füh­renden Angaben z.B. unter »Word« hinge­wiesen, wo typo­grafisch Grund­sätz­liches immer noch ignoriert wird. Aus einem Quali­täts­ver­gleich von verschiedenen frei verfügbaren Schriften gingen die Open Sans und die Gentium als »Test­sieger« hervor.

Die in den Tests verwendeten Schriften lassen sich auch auf einer App vergleichen, die aus einem Text in Leichter Sprache besteht. Dabei ist die Wirkung und Lesbarkeit des jeweiligen Regular-Schnitts vergleichbar. Und man sieht auch die Verän­de­rungen, wenn man den Schriftgrad größer stellt. Der Zeile­n­abstand bleibt dabei immer bei 150%. Hierbei ist allerdings auch zu erkennen, dass eine bisher in der Leichten Sprache ange­wandte Umbruchregel wie »jeder Satz beginnt auf einer neuen Zeile«, ins Absurde führt. Je nach Platz­bedarf werden die Zeilen auto­matisch umbrochen und der Rest der Zeile steht dann eben auf der nächsten Zeile.

Juliane Wenzl (Illus­tratoren Orga­ni­sation e.V.) hat die Publi­kation zum Bereich des Bildes durch­gesehen:

»Die derzeitige Diskussion zur Leichten Sprache ist geprägt von der Idee infor­mie­render und didak­tischer Vermittlung, da sie nach der Gesetz­gebung bzw. den ange­strebten Rege­lungen erfolgt. Diese sollen vor allem öffentliche Einrich­tungen in die Lage versetzen, Inhalte ange­messen zu vermitteln.

Alexander zeigt auf, dass es in den vorlie­genden Regel­werken zur Leichten Sprache bisher kaum verbindliche Empfeh­lungen gibt. Aus ihnen lassen sich lediglich acht Hinweise zur Bild­ver­wendung ableiten, die aber auch auf Probleme hinweisen. So wird z. B. dazu geraten, Bilder wiederholt einzu­setzen, damit diese von der Ziel­gruppe »erlernt« werden können. Das kann aber nur gelingen, wenn die Bilder immer im gleichen Kontext verwendet werden.

Die vorlie­genden Studien, einschließlich der sechs in Alex­anders Publi­kation, sind noch zu vereinzelt und zu wenig an klaren Para­metern orientiert, als dass sich valide Empfeh­lungen für die Verwendung einer bestimmten Bildart in bestimmten Kontexten ableiten ließen. Fest­ge­stellt wurde, dass Inva­rianten und Komple­xi­täts­re­duktion die Lesbarkeit von Bildern erleichtern. Auch sollten sich Bild­inhalte nicht so sehr an Objekten, als vielmehr an Tätig­keiten orien­tieren. Sprache und Bild sollten sich ergänzen und aufeinander verweisen.

In Hinblick auf die Sprache-Bild-Beziehung unter­scheidet sich Leichte Sprache von Stan­dard­sprache. In einer Studie wird vermutet, dass Leser der Leichten Sprache an begleitetes Lesen gewöhnt sind, also an Inter­ak­tionen, die anhand eines Textes erfolgen. Das lässt die These zu, dass Zugäng­lichkeit und Verständ­lichkeit durch den Einsatz aufeinander verwei­sender Medien noch besser noch besser erreicht werden könnten

Bilder machen sichtbar, sie können abbilden, zeigen und erzählen, dekorativ sein, Infor­ma­tionen vermitteln und zu einem Erkennt­nis­gewinn führen. Bilder können uns beein­flussen, etwas zu tun oder zu lassen. Sie können außerdem moti­vieren und die Aufmerk­samkeit der Rezi­pienten halten oder auf etwas richten. Bilder tragen zur Erin­nerung bei, wenn sie als inneres Bild wiederholt werden; die Akti­vierung innerer Bilder trägt im Umkehrschluss zum Text­ver­stehen bei. 

Bild­konzepte im Kontext Leichter Sprache sollten, wie in anderen Kontexten auch, indi­viduell, konsistent und der Aufgabe wie der Ziel­gruppe ange­messen sein.«

Die Studien genauer zu lesen lohnt sich, auch wenn die klam­mernde Klebe­bindung zum Aufschlagen des Buches Gewalt braucht.

Dringend müsste in diesen Bereichen weiter geforscht werden. Die Bereit­schaft hierzu wäre da, aber die nötigen finan­ziellen Mittel fließen wohl woanders hin.

Kerstin Alexander (Hrg.)
Mit Typo­grafie und Bild barrie­refrei kommu­ni­zieren 
Kommu­ni­kation – Parti­zi­pation – Inklusion
 
Forschungsstand und Studien 
382 Seiten  
Broschur
ISBN 978–3–7329–0584–3 
49,80 Euro

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