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Buchbesprechung

Was ist der Einfluss von Paul Klees Werk auf Typografie?

Rudolf Paulus Gorbach
6. November 2017
Da ich von Paul Klee so viel erfahren und gelernt hatte, liegt die Über­legung nahe, was der Einfluss Klees auf Typo­grafen und solchen »ange­wandten« Gestaltern sein könnte. Auf einer Tramp-Reise 1961 las ich in Paul Klees Tage­büchern (Ausgabe Dumont 1957), war von so viel Klarheit im Denken begeistert.

Natürlich lieferte Klee keine »Modelle« für eine Über­tragung. In seinem Buch »Das Bild­ne­rische Denken« änderte sich das für mich ein wenig. Wie Kand­inskys »Punkt, Linie zur Fläche« waren sie die Schätze meiner Gedanken, die meine Arbeit sehr subtil beein­flusst haben. Später kam der Blick auf die Originale dazu. Nicht zuletzt im Lenbachhaus München 1978 oder in Salzburg 2008, wo auch der Bereich der Musik domi­nierte. Konzep­tuelle Arbeiten für Typo­grafie entstanden auch aus Erkennt­nissen dieser Begeg­nungen.

Warum ich das berichte? Ich hatte mir vorge­nommen, für die Leser des tgm-Blogs einen Ausstel­lungs­katalog zu besprechen. Das ist generell nicht mein Gebiet.  Aber unter dieser Vorge­schichte eben doch. Es ist der Katalog »Paul Klee. Die abstrakte Dimension«, der zur gleich­namigen Ausstellung in der Fondation Beyeler, Basel erschien. Die Ausein­an­der­setzung mit oder zwischen Abstraktion und dem nicht Abstrakten (siehe Zeit vom  4.10.2017 und SZ vom 5.10.2017) wird hier eindrü­cklich behandelt.

Eindrü­cklich – von Eindruck. Wunderbare Abbil­dungen, sehr großes Buch­format, gewichtig im leider wahren Sinn (ein Problem fast aller Ausstel­lungs­ka­taloge unserer Zeit). Nach den ersten Bespre­chungen der Ausstellung freute ich mich besonders auf die Beiträge im Katalog von Peter Zumthor und Jenny Holzer. Hier rückten Klees Themen viel­leicht noch näher an das ange­wandte Gestalten?

Peter Zumthor liefert aber keinen Aufsatz, sondern gibt einzelne, begeisterte Gedanken zu Klee wieder. So sieht er beispielsweise »die ikono­gra­fische Dimension der Zeichen, die Klee aus der Archi­tektur übernimmt. Diese führen in die Tiefe. … Das für die Archi­tektur zentrale Thema Raum taucht bei Klee selten auf. Mehr als je sehe ich ihn als Meister der Fläche«.

Paul Klee, Die Kapelle, 1917
Paul Klee, Die Kapelle, 1917. Aquarell und weisse Tempera auf Papier auf Karton, 29,2 x 14,6 cm. Fondation Beyeler, Riehen/Basel, Sammlung Beyeler.

Jenny Holzer ist da näher am Werk Klees, da sie an Zeichen, Buch­staben und Pikto­grammen im Werk fündig wurde. Und hier ergibt sich auch eine starke Nähe zur Typo­grafie. Holzers Begeis­terung von Klee wirkt ansteckend. Beispiel: »Klee impro­vi­sierte bei der Über­tragung von Farbe auf Inhalte und spielte noch mit vielem anderen. Gleich­zeitig unternahm er es, Gedanken auf strenge, syste­ma­tische und fast enzy­klpä­dische Weise darzu­stellen.

Paul Klee, Boote in der Überflutung, 1937
Paul Klee, Boote in der Überflutung, 1937. Blaue Kleisterfarbe auf Papier auf Karton, 49,5 x 32,5 cm. Fondation Beyeler, Riehen/Basel, Sammlung Beyeler

Am Besten wäre es, die Ausstellung zu sehen. Aber zum Katalog und seiner Gestaltung: Das große Format von 240 × 305 mm gibt den brillant gedruckten Bildern Platz. Die Typo­grafie der Texte folgt der Größe. Doch erscheint mir die Schriftgröße zu groß. Man denkt da eher an Bilder­bücher für Kinder. Den Satz­spiegel finde ich nicht ganz eindeutig. Doch ist die Gesamt­ge­staltung sauber und sehr gut durch­geführt. Die Bethold City von Georg Trump von 1939 passt historisch gut als Auszeich­nungs­schrift. Den Titel auf den Einband mit senkrecht unter­einander gestellten Buch­staben zu stellen wirkt allerdings gegen die Modernität Paul Klees.

Paul Klee. Die abstrakte Dimension
Heraus­gegeben von Anna Szech für die Fondation Beyeler
Mit Beiträgen von Teodor Curr­entzis, Fabienne Eggelhöfer, Jenny Holzer, Regine Prange, Anna Szech und Peter Zumthor
236 Seiten
Hatje Cantz Verlag, Berlin 2017
ISBN 978–3–906053–39–4
58 Euro (in der Ausstellung 62,50 CHF)

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