Typografie und »Buchhaftigkeit«
Immer mehr Romane weichen von der üblichen Darstellung ab und versuchen, eine »Dreidimensionalität« des Buches zu erreichen. Sind es Experimente oder Spielereien, oder steckt mehr dahinter? Sie stehen in einer Tradition, die sowohl auf andere Textsorten als auch besonders auf die Kinder- und Jugendliteratur zurückgeht.
Die Frage ist also, wie weit man belletristische Texte inszenieren kann, weg von der normalen und erprobten Lesbarkeit hin zu einem neuen und vielleicht intensiveren Erleben im Buch.
Thomas Boyken beschreibt in seiner Studie mehrere zeitgenössische Romane, die die lineare Gestaltung eher geringfügig verlassen. Er spricht vom »buchhaften« Roman. Diese, auch seine fachwissenschaftliche Ausdrucksweise, sind für praktisch tätige Gestalter nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Typografen und besonders Buchgestalter neigen im Prinzip den Bedingungen der Lesbarkeit. Die Darbietungsformen des Buches sind insofern übersichtlich. Die Buchhaftigkeit und Seitenkomposition für den Roman sind zunächst als lineares Textbuch mit – wie es in der Satztechnik heißt – »glatten Satz« zu verstehen. Was darüber hinausgeht, kann der Aufnahme des Buchinhalts dienen, die Lesbarkeit jedoch nicht, sondern ist eine zusätzliche Inszenierung der Typografie.
Dass diese nicht vom Typografen, sondern vom Autor ausgeht, ist selbstverständlich, da auch in der Gestaltung gelernte Facharbeit nötig ist.
Boyken beschreibt zahlreiche sehr spannende Buchprojekte, Romane, die weitergehend visualisiert wurden. Natürlich gibt es auch hier bereits eine Tradition, die auf Laurence Sterne zurückgeht. Doch seit Bücher dank der digitalen Technik auch leichter ganz anders gestaltet werden können, gibt es immer mehr Bücher, die den Funktionen des Editorischen oder der künstlerischen Ambition des Autors entsprechen. Diese sind recht spannend, wie beispielsweise die Arbeiten des Typografen Stephen Farrell. Aber warum der Untertitel des Buches »die Wiederentdeckung des Buches im Roman« lautet, verstehe ich nicht.
Thomas Boyken
Medialität des Erzählens
Die Wiederentdeckung des Buches im Roman
Reihe: Ästhetik des Buches; Band 13
80 Seiten
Englische Broschur
130 × 205 mm
Wallstein Verlag Göttingen, 2020
ISBN 978–3–8353–3545–5
14,90 €
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