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Buchbesprechung

Typografie und »Buchhaftigkeit«

Rudolf Paulus Gorbach
24. Oktober 2020
Romane als Text­bücher sind fast immer linear gesetzt: Wort für Wort, Zeile für Zeile, Seite für Seite. Aber kann Typo­grafie mehr? Willberg und Forssman sprechen in ihrem Stan­dardwerk »Lese­ty­po­grafie« auch von insze­nie­render Typo­grafie. Diese gibt es schon seit einiger Zeit.
Thomas Boyken: Medialität des Erzählens

Immer mehr Romane weichen von der üblichen Darstellung ab und versuchen, eine »Drei­di­men­si­o­nalität« des Buches zu erreichen. Sind es Expe­rimente oder Spie­lereien, oder steckt mehr dahinter? Sie stehen in einer Tradition, die sowohl auf andere Text­sorten als auch besonders auf die Kinder- und Jugend­li­teratur zurückgeht.

Die Frage ist also, wie weit man belle­tris­tische Texte insze­nieren kann, weg von der normalen und erprobten Lesbarkeit hin zu einem neuen und viel­leicht inten­siveren Erleben im Buch.

Thomas Boyken beschreibt in seiner Studie mehrere zeit­ge­nös­sische Romane, die die lineare Gestaltung eher geringfügig verlassen. Er spricht vom »buch­haften« Roman. Diese, auch seine fach­wis­sen­schaftliche Ausdrucksweise, sind für praktisch tätige Gestalter nicht ohne weiteres nach­voll­ziehbar. Typo­grafen und besonders Buch­ge­stalter neigen im Prinzip den Bedin­gungen der Lesbarkeit. Die Darbie­tungs­formen des Buches sind insofern über­sichtlich. Die Buch­haf­tigkeit und Seiten­kom­po­sition für den Roman sind zunächst als lineares Textbuch mit – wie es in der Satz­technik heißt – »glatten Satz« zu verstehen. Was darüber hinausgeht, kann der Aufnahme des Buchinhalts dienen, die Lesbarkeit jedoch nicht, sondern ist eine zusätzliche Insze­nierung der Typo­grafie.

Dass diese nicht vom Typo­grafen, sondern vom Autor ausgeht, ist selbst­ver­ständlich, da auch in der Gestaltung gelernte Fach­arbeit nötig ist.

Boyken beschreibt zahl­reiche sehr spannende Buch­projekte, Romane, die weiter­gehend visu­a­lisiert wurden. Natürlich gibt es auch hier bereits eine Tradition, die auf Laurence Sterne zurückgeht. Doch seit Bücher dank der digitalen Technik auch leichter ganz anders gestaltet werden können, gibt es immer mehr Bücher, die den Funk­tionen des Edito­rischen oder der künst­le­rischen Ambition des Autors entsprechen. Diese sind recht spannend, wie beispielsweise die Arbeiten des Typo­grafen Stephen Farrell. Aber warum der Untertitel des Buches »die Wieder­ent­deckung des Buches im Roman« lautet, verstehe ich nicht.

Thomas Boyken
Medi­alität des Erzählens
Die Wieder­ent­deckung des Buches im Roman

Reihe: Ästhetik des Buches; Band 13
80 Seiten
Englische Broschur 
130 × 205 mm
Wallstein Verlag Göttingen, 2020
ISBN 978–3–8353–3545–5 
14,90 €

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