Bücher mit spürbarem Anpressdruck
TOC (The Other Collection) schreibt: "Unsere Bücher werden ausgewählt, um zeitlose Fragen zu finden und zu beantworten und um die Möglichkeit zu bieten, die Welt, die uns umgibt, besser zu verstehen. Dies geschieht durch eine besondere Buchgestaltung, für die Erik Spiekermann verantwortlich zeichnet.
Der erste Band von Deborah Levy »The Cost of Living«, herausgegeben von Birgit Schmitz, liegt nun auf meinem Tisch, und ich möchte mich hier explizit mit der Buchgestaltung beschäftigen. Verpackt in einer schlichten schwarz-grauen Stülpschachtel fällt sofort das Muster des Schutzumschlags (hier Buchdeckel genannt) ins Auge. Zweifarbig auf Gmund-Baumwollpapier, die Unvollkommenheit des Drucks auf einer Korrex »zelebrierend«, sind verschiedene Muster für die Buchreihe vorgesehen.
Der Einband aus feinem Leinen und geprägtem (mit farblosem Lack überzogenem), leider etwas zu dickem Pappband hat eine Insider-Eleganz. Man muss sich wohl die ganze Reihe im Regal vorstellen, oder lässt man die Bücher lieber in der Schachtel?
Natürlich gibt es ein farbiges Vorsatzpapier, Lesebändchen und Kapitalband (hier Stirnbändchen genannt), der Inhalt ist auf Schleipen Werkdruckpapier gedruckt und die typografische Ausstattung (Fußtitel, Einzüge, Werksatz) ist vorbildlich.
Für diesen Band wurden zwei Schriften verwendet. Es wurde die Nähe zu Baskerville und Caslon gesucht und die William Text von Maria Doreuli verwendet, eine sehr schöne Serifenschrift. Im Buch ist die Schrift etwas zu groß. Die zweite Schrift für den wohl obligatorischen Schriftmix ist die FF Real des Meisters selbst. Satz und Typografie sind vorbildlich.
Das Problem ist aber die Veränderung durch den Druck mit Polymerplatten im Hochdruck. Ich habe fast den Eindruck, dass sich hier die hypermoderne Satztechnik und der Notbehelf des Buchdrucks in die Quere kommen. Denn das Schriftbild im Druck sieht breiter aus, als die Schrift erscheint, und es erinnert mich auch irgendwie an sehr weit zurückliegende Zeiten. Als Buchdrucker im Werkdruck in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts hatte ich manchmal Bücher gedruckt, deren Satz via Stereotypie vom Monotypesatz abgeprägt waren. Und die Schriftveränderungen waren ähnlich (wenn auch viel krasser). Das sieht man besonders bei den Überschriften. Beim Lesen gewöhnt man sich natürlich sehr schnell an das Schriftbild. Aber offensichtlich geben die Polymerplatten das Schriftbild nicht exakt wieder. Und ein spitzes Schriftbild wie im Fotosatz soll ja auch nicht erreicht werden. Ein weiterer Effekt ist der relativ hohe Anpressdruck, so dass man noch ein leichtes Relief spürt. Das ist gerade in Mode. Aus der Sicht des klassischen Buchdrucks wäre das ein großer Fehler. Wir haben uns als Buchdrucker sehr viel Mühe gegeben, das entstehende Relief durch individuelle Formgebung zu minimieren. Und jetzt will man es möglichst spüren!
Sehr schön sind die farbigen Zwischenblätter mit den Zeichnungen von Erik Spiekermann. Das Buch wird in einer Proportion des Goldenen Schnitts angekündigt, mit 135 × 215 mm (genau wäre 133 × 215), was für diese Zwecke die richtige Proportion ist (auf das Fibonacci-Getue sollte man verzichten). Bei den Randstegen von 14, 18, 20 und 30 mm finde ich nur teilweise einen direkten Bezug zur Proportion (wobei das in vielen Buchproduktionen aus Angst vor dem Buchrücken vernachlässigt wird).
Das ist jetzt keine Buchbesprechung im Sinne der Literatur, was im tgm-Blog auch sehr ungewöhnlich wäre. Von sehr hoher inhaltlicher Qualität darf man für die ganze Reihe ausgehen. Lesenswert ist auch das Nachwort von Erik Spiekermann zur Machart der Buchreihe.
Es handelt sich also um eine höchst individuelle Ausgabe, die wahrscheinlich besondere Sammler anziehen dürfte. Eine ganz andere Konzeption als die Andere Bibliothek seinerzeit mit Franz Greno und Hans Magnus Enzensberger beabsichtigte. Und natürlich wieder anders als SchumacherGeblers klassische Edition.
Birgit Schmitz (Hrsg.)
Deborah Levy
The Cost of Living
toc 01
144 Seiten
135 × 215 mm
Feinleinenband mit Schutzumschlag
toc Berlin 2021
ISBN 978–3–949164–00–2
138 Euro
Abo für 12 Bücher 1 536 Euro
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