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Branche

Papier funktioniert und kann sehr schön sein

Rudolf Paulus Gorbach
3. November 2016
Unter den inzwischen zahl­reichen Tagungen zur visuellen Gestaltung hat die siebte Creative Paper Conference längst ihren Platz behauptet. Dazu haben wohl nicht zuletzt die Aussteller beige­tragen. Vor allem aus der Papier­in­dustrie und den heute so aktuellen Verede­lungs­techniken wurden Neuheiten, aber auch Basis­produkte gezeigt. Das bietet gute Infor­ma­tionen.

Gestalter sind in der Regel nicht gleich­zeitig Produk­tioner. Aber auf dieser Konferenz bekommt man viele prak­tische Infor­ma­tionen. Die Atmo­sphäre auf der von Bettina Schulz und Christine Moosmann von »novum – World of Graphic Design« mode­rierten Tagung war kollegial und führte zu inter­es­santen Gesprächen.

Durchgefärbte Papiere. Basis im Feinstpapiergeschäft: Colorplan von Römerturm

Wie der Konfe­renzname schon sagt, geht es vor allem um Papier, also das Material, auf dem wir vor allem drucken. Anfassen, Fühlen, Riechen, halt das analoge Sein, was man an den Ständen der Aussteller vorzüglich erleben konnte. Doch wie wird das in den Vorträgen vermittelt?

Die Basis zum Thema schildert Katja Knahn (paperkate). An ihren Über­schriften zeigt sich die Denkweise, die für eine funk­tio­nierende Arbeit wichtig ist. Designer sind nicht die einzigen Kreativen in der Branche, sondern auch der Produk­tioner, falls er gut ist. Ideen sieht er als Moment­aufnahme und noch lange nicht als Lösung, die Kreation als einen Prozess. Abläufe können deshalb nicht von oben oder unten ange­ordnet werden. Um Lösungen zu finden, ist die Zusam­me­n­arbeit verschiedener »Rollen­träger« entscheidend. Dazu gehört Respekt und Vertrauen in die jeweiligen Partner, und die Zusam­me­n­arbeit muss auch, um »echt« erfolgreich zu sein, Spaß machen. Krea­tivität kommt nicht ohne Disziplin aus und manches Nach­denken ist billiger als sofortiges Drucken.

Mit diesem Hintergrund präsentiert sie Arbeiten aus ihrer Praxis, die sie seit einigen Jahren in ihrem eigenen Büro entwickelt und zuvor bei Kochan & Partner durch­geführt hat.

Unter den Gestaltern ist die Wert­schätzung und Liebe zum Papier und zu den Mate­rialien groß. Dies zeigt sich schon bei einfachen Druck­werken, da die Rolle des »haptischen« Druck­trägers sehr wichtig ist. Wie schaffen es Gestalter nun, diesen Bezug herzu­stellen?

Versuche vor dem Entwurf eines Logos (Zeichen & Wunder)

Das kann in perfekter Präsen­tation passieren, wie bei Michaela Zeman und Annika Kalten­thaler von »Zeichen & Wunder«. Anhand der von ihnen gestalteten Projekte finden sie den Bezug zum Papier schon beim Entwerfen, Malen, Schreiben und Scribbeln. Die Recherche in Archiven und die damit verbundenen Entde­ckungen, die auch mit den Mate­rialien zu tun haben, kommen immer wieder auf Papier zurück. Das Besondere auf Papier wird hervor­gehoben.

Bei Erwin Bauer spielt die Arbeit­s­um­gebung eine große Rolle. So schwärmt er von dem Ort, an dem er sein Büro hat, der Alpen­milch­zentrale Wien, betont seinen hand­werk­lichen Bezug als ehemaliger gelernter Landwirt. Spannende Arbeiten gibt es vor allem bei der Darstellung von Farben für die Archi­tek­tur­bi­ennale Venedig und bei einem sehr einfachen Orien­tie­rungs­system für den Einzug von Flücht­lingen oder einer Druckerei, die auf den Lieb­lings­farben der Mita­r­beiter basiert.

Einfache farbige Papiere und einfache Typografie für ankommende Flüchtlinge in Wien (Erwin Bauer)

Marcus Kraft, der wie manche andere auch unentwegt auf der Bühne hin und her läuft, zeigt sein kleines Büro, das in einen Mercedes Sprinter passen muss. Auch eine Art von Mate­ri­a­l­be­zo­genheit. Das Leben besteht ja nicht nur aus Kultur, sondern auch die Dinge des Alltags müssen gut gestaltet werden. Das zeigt er in der Gestaltung einer Schweizer Apothe­ken­zeit­schrift, was wahr­scheinlich einer bestimmten jungen Leser­schicht gut gefällt. Gestalter sind oft auch bildende Künstler, oder die Sehnsucht danach ist groß. So – nun wieder auf Papier – führt Kraft seine Varianten von Zerstö­rungen Hunderter-Dollar­scheine vor.

Money for Nothing von Marcus Kraft

Pur am Papier ist Martha von Maydell mit ihren Illus­tra­tionen, die in allen Details aus ausge­schnittenen Papie­r­ele­menten bestehen. Dagegen stellen Lisa Borges und Lucie Schibel (Studio Marven) ihre besonderen Modema­gazine vor. Viel hand­werkliche Grund­arbeit und ein expe­ri­men­teller Anspruch, was auch besonders gut funk­tioniert, wenn (wie sie sagten) man keinen Kunden hat; also der eigene Auftraggeber ist. Mit dem üppigen Magazin für Geese-Papier sieht das natürlich anders aus: Papier­proben als Magazin.

Illustration aus präzise geschnittenen Papierdetails (Martha von Maydell)

Matthias C. Hühne fragt, wann das Papier noch das perfekte Erzähl­medium sei. Die Frage ist eigentlich längst beant­wortet. Hühne hat in einer Art Selbs­t­er­fah­rungstrip ein teures und riesiges Buch über Airline-Marken gemacht. Natürlich auf Papier. Und Fons Hickmann sagt nicht nur Servus (wie im Programm ange­kündigt), sondern präsentiert wie immer seine sehr schönen Plakate und erwähnt auch den Druck­träger »Affi­che­noffset«, womit der Bezug zur Konferenz herge­stellt ist.

Textbezüge sichtbar (Niels Schrader)

Niels Schrader zeigt etwas, das eigentlich digital besser funk­tio­nieren würde. Aber das Projekt eines Geschäfts­be­richts für die Mondriaan Stiftung hat einen so wunderbaren und absurd funk­tio­nie­renden Aspekt. Es findet nämlich eine Text­ver­netzung statt, die in hell­blauen Strichen im Hintergrund durch das ganze Buch und zielgenau durch die Rohbogen verläuft. Dabei bietet das bläuliche dünne Papier wieder eine Situation des Konzep­ti­o­nellen. Ein wenig erinnert das zunächst an Schneider-Schnittbogen. Dabei betont er das asso­ziative lineare Lesen und das »Browsen« als Einsammeln kleinster Infor­ma­tionen.

Erneutes Fazit: Papier sinnvoll und intel­ligent bear­beitet ist wunderbar.

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