Papier funktioniert und kann sehr schön sein
Gestalter sind in der Regel nicht gleichzeitig Produktioner. Aber auf dieser Konferenz bekommt man viele praktische Informationen. Die Atmosphäre auf der von Bettina Schulz und Christine Moosmann von »novum – World of Graphic Design« moderierten Tagung war kollegial und führte zu interessanten Gesprächen.
Wie der Konferenzname schon sagt, geht es vor allem um Papier, also das Material, auf dem wir vor allem drucken. Anfassen, Fühlen, Riechen, halt das analoge Sein, was man an den Ständen der Aussteller vorzüglich erleben konnte. Doch wie wird das in den Vorträgen vermittelt?
Die Basis zum Thema schildert Katja Knahn (paperkate). An ihren Überschriften zeigt sich die Denkweise, die für eine funktionierende Arbeit wichtig ist. Designer sind nicht die einzigen Kreativen in der Branche, sondern auch der Produktioner, falls er gut ist. Ideen sieht er als Momentaufnahme und noch lange nicht als Lösung, die Kreation als einen Prozess. Abläufe können deshalb nicht von oben oder unten angeordnet werden. Um Lösungen zu finden, ist die Zusammenarbeit verschiedener »Rollenträger« entscheidend. Dazu gehört Respekt und Vertrauen in die jeweiligen Partner, und die Zusammenarbeit muss auch, um »echt« erfolgreich zu sein, Spaß machen. Kreativität kommt nicht ohne Disziplin aus und manches Nachdenken ist billiger als sofortiges Drucken.
Mit diesem Hintergrund präsentiert sie Arbeiten aus ihrer Praxis, die sie seit einigen Jahren in ihrem eigenen Büro entwickelt und zuvor bei Kochan & Partner durchgeführt hat.
Unter den Gestaltern ist die Wertschätzung und Liebe zum Papier und zu den Materialien groß. Dies zeigt sich schon bei einfachen Druckwerken, da die Rolle des »haptischen« Druckträgers sehr wichtig ist. Wie schaffen es Gestalter nun, diesen Bezug herzustellen?
Das kann in perfekter Präsentation passieren, wie bei Michaela Zeman und Annika Kaltenthaler von »Zeichen & Wunder«. Anhand der von ihnen gestalteten Projekte finden sie den Bezug zum Papier schon beim Entwerfen, Malen, Schreiben und Scribbeln. Die Recherche in Archiven und die damit verbundenen Entdeckungen, die auch mit den Materialien zu tun haben, kommen immer wieder auf Papier zurück. Das Besondere auf Papier wird hervorgehoben.
Bei Erwin Bauer spielt die Arbeitsumgebung eine große Rolle. So schwärmt er von dem Ort, an dem er sein Büro hat, der Alpenmilchzentrale Wien, betont seinen handwerklichen Bezug als ehemaliger gelernter Landwirt. Spannende Arbeiten gibt es vor allem bei der Darstellung von Farben für die Architekturbiennale Venedig und bei einem sehr einfachen Orientierungssystem für den Einzug von Flüchtlingen oder einer Druckerei, die auf den Lieblingsfarben der Mitarbeiter basiert.
Marcus Kraft, der wie manche andere auch unentwegt auf der Bühne hin und her läuft, zeigt sein kleines Büro, das in einen Mercedes Sprinter passen muss. Auch eine Art von Materialbezogenheit. Das Leben besteht ja nicht nur aus Kultur, sondern auch die Dinge des Alltags müssen gut gestaltet werden. Das zeigt er in der Gestaltung einer Schweizer Apothekenzeitschrift, was wahrscheinlich einer bestimmten jungen Leserschicht gut gefällt. Gestalter sind oft auch bildende Künstler, oder die Sehnsucht danach ist groß. So – nun wieder auf Papier – führt Kraft seine Varianten von Zerstörungen Hunderter-Dollarscheine vor.
Pur am Papier ist Martha von Maydell mit ihren Illustrationen, die in allen Details aus ausgeschnittenen Papierelementen bestehen. Dagegen stellen Lisa Borges und Lucie Schibel (Studio Marven) ihre besonderen Modemagazine vor. Viel handwerkliche Grundarbeit und ein experimenteller Anspruch, was auch besonders gut funktioniert, wenn (wie sie sagten) man keinen Kunden hat; also der eigene Auftraggeber ist. Mit dem üppigen Magazin für Geese-Papier sieht das natürlich anders aus: Papierproben als Magazin.
Matthias C. Hühne fragt, wann das Papier noch das perfekte Erzählmedium sei. Die Frage ist eigentlich längst beantwortet. Hühne hat in einer Art Selbsterfahrungstrip ein teures und riesiges Buch über Airline-Marken gemacht. Natürlich auf Papier. Und Fons Hickmann sagt nicht nur Servus (wie im Programm angekündigt), sondern präsentiert wie immer seine sehr schönen Plakate und erwähnt auch den Druckträger »Affichenoffset«, womit der Bezug zur Konferenz hergestellt ist.
Niels Schrader zeigt etwas, das eigentlich digital besser funktionieren würde. Aber das Projekt eines Geschäftsberichts für die Mondriaan Stiftung hat einen so wunderbaren und absurd funktionierenden Aspekt. Es findet nämlich eine Textvernetzung statt, die in hellblauen Strichen im Hintergrund durch das ganze Buch und zielgenau durch die Rohbogen verläuft. Dabei bietet das bläuliche dünne Papier wieder eine Situation des Konzeptionellen. Ein wenig erinnert das zunächst an Schneider-Schnittbogen. Dabei betont er das assoziative lineare Lesen und das »Browsen« als Einsammeln kleinster Informationen.
Erneutes Fazit: Papier sinnvoll und intelligent bearbeitet ist wunderbar.
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