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Buchbesprechung

Kein Stil – und es wurde Stil: Ernst Keller

Rudolf Paulus Gorbach
29. Dezember 2017
Weit­gehend unbekannt ist das Werk von Ernst Keller. Doch sein Name fiel in Gesprächen immer wieder, vor allem bei Schweizer Typo­grafen, oft wie eine ganz sanfte Bezugnahme.

Dieses Buch zeigt Kellers Spuren. Spuren, die leise, subtil und sorg­fältig den »Swiss Style« ermög­lichten.Das geschieht vor allem durch seine intensive Lehr­tä­tigkeit zwischen 1918 und 1956. Was für eine Zeit­spanne!

Dabei wirken einige seiner frühen Arbeiten eher ange­staubt. Es lag vor allem an seiner Didaktik, seiner Aufga­ben­stellung und seiner Vermittlung der Gestal­tungs­praxis an seine Schüler.

Unter ihnen sind viele berühmte Gestalter wie Walter Käch, Richard Paul Lohse, Josef Müller-Brockmann, Gérard Miedinger, Carlo Vivarelli und Hans Eduard Maier, um nur einige zu nennen.

Da Keller keine schrift­lichen Arbeiten hinterließ, musste für dieses Buch im Archiv der Hoch­schule der Künste in Zürich recher­chiert werden.Das geschah anhand von Stun­den­plänen, Schü­ler­listen und Arbeiten der Schüler.

Keller war gelernter Zeichner und Lithograph, ging nach seiner Ausbildung nach Leipzig zur Weiter­bildung bei Johannes Weiden­müller, der eine für diese Zeit aktive Werkstatt und »Agentur« betrieb. Weiden­müller war ein bekannter Theo­retiker, der sich auch »Werbe­anwalt« nannte. Und Leipzig war in dieser Zeit für die grafische Szene besonders prädes­tiniert. Mit Beginn des Ersten Welt­kriegs musste Keller zurück in die Schweiz und ging bereits 1918 als Lehrer an die Kunst­ge­wer­be­schule Zürich, Fach Ange­wandte Grafik. In Zürich herrschte zu dieser Zeit eine besondere Aufbruchs­s­timmung (Dada, Anar­chisten, Intel­lek­tuelle und Künstler aus vielen Ländern). Von diesem Umfeld war Keller viel­leicht inspiriert. Wesentlich scheint aber die bereits laufende Refor­mierung der Kunst­ge­wer­be­schule zu sein, die sich von einer tradi­ti­o­nellen Maler­schule zu einer werk­stat­to­ri­en­tierten Ausbildung entwickelt hat.

Das Oeuvre von Ernst Keller wurde von Walter Herdeg in der »Graphis« (der berühmten Schweizer Zeit­schrift) vorge­stellt. Das waren vor allem Plakate, Signets und Beschrif­tungen zwischen 1916 und 1968, zunächst eher konven­tionell.

Doch ab 1926 ändert sich das; ein anderes, konzep­ti­o­nelles Denken macht sich bemerkbar, weg vom Künstler hin zum Gestalter. Die danach entstandenen Schrift­plakate wurden wegweisend für mindestens zwei Gene­ra­tionen von Typo­grafen.

Bereits für die legendäre Schwei­ze­rische Landes­ausstellung von 1939 arbeiteten zahl­reiche Schüler von Keller mit. Keller selbst widmete sich zwischen­zeitlich oft ganz anderen Bereichen wie einem Ziffernblatt, Lade­n­ausstat­tungen oder Wappen.

Was war nun das Konzept von Ernst Keller? Nach der Recherche für dieses Buch scheint es der Dialog anhand der Entwürfe seiner Schüler zu sein, wohl kaum Vorle­sungen. Ehemalige Schüler erinnern sich:

  • Begründer eines ausdrucks­starken Flächenstils (Richard Paul Lohse),

  • Vor seiner harten, oft bissigen Kritik wurde niemand verschont (H.U. Steger),

  • … nicht Keller bewertete, jeder Schüler musste sein Urteil aussprechen (Jaques Plan­cherel),

  • Er korri­gierte, indem er auf wichtige Merkmale hinge­wiesen hat (Lora Lamm),

  • … er gab uns nur kurze, prägnante Hinweise auf Schwach­stellen unserer Arbeiten. Die Korrektur überließ er dem Schüler (Josef Müller-Brockmann).

Viele seiner Schüler unter­richteten später erfolgreich selbst. Doch wäre die Neue Grafik von Lohse, Müller-Brockmann, Hans Neuburg und Carlo Vivarelli ohne Kellers Ausbildung kaum möglich geworden, genauso wenig wie die Banknoten von Gauchat oder die Arbeit der Zeit­schrift „Graphis“ durch Walter Herdeg, die Grafik für La Rinascente von Lora Lamm und die Grafik des Opern­hauses Zürich von K. Domenic Geiss­bühler.

Ein empfeh­lens­werter Einblick in die jüngere Geschichte des Grafik-Designs, auch wenn der Text bisweilen zu viel wiederholt. Im letzten Teil des Buches werden die berühmten Schüler gewürdigt, aber auch die Digi­ta­li­sierung der Gebäu­dein­schrift der Zürcher Gewer­be­schule, die Rudolf Barmettler in seinem Kurs initiiert hatte.

Peter Vetter, Katharina Leuen­berger, Meike Eckstein
No Style. Ernst Keller (1891–1968)
254 Seiten
200 × 245 mm
527 Abbil­dungen
Klap­pen­broschur
49.– Euro
Triest Verlag, Zürich 2017
ISBN 978–3–03863–023–4

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