Gebrauchsgrafik und Grafik-Design zwischen 1890 und 2018
In den beiden sehr großformatigen Bänden (was man bei Taschen ja bereits kennt) spiegelt sich die Geschichte der angewandten Gestaltung wieder. Mit dem Anfang um 1890, wo die bildenden Künstler die entscheidenden Rollen spielten über die Veränderungen der Druck- oder Reproduktionstechniken, wo sich Berufszweige änderten, neuen Einfluss nahmen, bis zur heutigen digitalen Situation: ein enormes gestalterisches oder künstlerisches Schaffen wird auf internationaler Basis dokumentiert. Bekannte Arbeiten findet man ebenso wieder wie vergessene oder bisher völlig unbekannte Beispiele. Die Bände sind als historische Abfolge eingerichtet. Nach Information von Jens Müller »wurde versucht ein möglichst breites Spektrum verschiedenartiger Arbeiten abzubilden: unterschiedliche Medien, unterschiedliche Herkunftsländer, kleine Auftraggeber aus dem kulturellen Bereich genauso wie Projekte global agierender Konzerne. Darüber hinaus ist die Auswahl ganz bewusst eine Mischung aus ikonischen Arbeiten die jeder kennt und aus weniger bekannten Arbeiten, die bislang kaum publiziert worden sind …«
Die Struktur des Buches ist übersichtlich in Zehn-Jahresblöcken eingeteilt, die dann aufgefächert und schließlich auf einzelnen Doppelseiten der jeweiligen Jahre enden. Dazwischen finden sich Doppelseiten, die einzelnen der berühmtesten Gestaltern samt einer kurzen Biografie gewidmet sind. Bekannte und bisher weniger bekannte Persönlichkeiten wechseln sich hierbei ab. Von den abgebildeten Produktarten dominieren Posters, es folgen Magazincovers, Buchumschläge und Logos. Es gibt auch Beispiele von Verpackungen. Innenseiten von Zeitschriften oder Büchern sind eher selten. Designgeschichte wird ja noch nicht so lange konsequent betrieben. Deshalb wird es auch spannend sein, wie die neue Klasse der Gestaltungstheoretiker das Buch annehmen wird.
Die Gestaltung des Buches ist klar und konsequent. Ob die Spaltenlinien nötig sind wäre zu diskutieren. Die Bildlegenden sind deutlich, in dem sie jeweils Jahr, Gestalter, Land und Produktart nennen. Das riesige Buchformat und die wohl nötige Papierstärke machen die Bücher sehr schwer. Umso erstaunlicher ist es, dass man bei der Bindung einen Kastenband bevorzugt. Eine Rundung des Rückens würde wahrscheinlich für mehr Stabilität sorgen. Nach meiner ersten Durchsicht Seite für Seite (die inhaltlich ein Vergnügen war) zeigte sich die äußere Form der Bände bereits leicht verschoben. Doch wer mit Gestaltung arbeitet oder sogar selbst gestaltet sollte die beiden Bände besitzen, um jederzeit vergleichen zu können oder sich animieren zu lassen.
Jens Müller
The History of Graphic Design
Julius Wiedemann, Editor
2 Bände, Band 1: 1890 bis 1959, Band 2: 1960 bis 2018
Je Band 480 Seiten, Format 240 × 360 mm
ca. 6000 Abbildungen, 179 Einzelbiografien
Taschen Verlag, Köln 2017 und 2018
ISBN 978–3–8365–6307–9 (Band 1)
ISBN 978–3–83567073–4 (Band 2)
je Band 50 Euro
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