Extrabolder Streifzug
Im Vorwort zitiert Anita Kern Othmar Motter mit der »Würde der Grafiker der Nachkriegsgeneration« und als »Geschichte eines Gestalterlebens«, das Kultur-, Wirtschafts- und Zeitgeschichte gleich mit erleben lässt. Motters Karriere war nicht nur österreichisch, sondern weltweit, vor allem mit seinen ziemlich auffälligen Schriften Tektura, Ombra, Corpus oder Femina. Als Gestalter dominierte er die Vorarlberger Textilbranche.
Dieses Buch ist eine Forschungsarbeit, die Genauigkeit mit visuellem Anspruch verbindet, Theorie mit praktischem Background, nennt das Anita Kern. Ihr Autor Elias Riedmann hat 2016 sein Studium in Wien abgeschlossen, offensichtlich im Design forschend. Eine sehr lesenswerte und informative Biografie führt in Motters Lebenswerk ein. Die besprochenen und abgebildeten Beispiele bestehen im Wesentlichen aus Motters Schriftschaffen und einer ungeheuren Anzahl an Logos. Da die Schriften fast immer besonders fett sind bekam Motter auch den Titel »Meister der Extrabold«.
Forschungssystematik bei den Logos:
Im Buch sind die Beispiele auf den schlanken Seiten (harmonische klassische Proportion 2 : 3) sehr schön komponiert, Schrift und Typografie sind klar angewandt (außer dem nicht passenden Inhaltsverzeichnis). Die Vorarlberger Plakatbeispiele sind sogar auf Affichenoffsetpapier gedruckt. Über diese Plakate zitiert Peter Niedermair im Nachwort Reinhard Gassner: »Sie waren um Klassen besser und wirkungsmächtiger als alles, was heute so als Veranstaltungswerbung herumhängt (Messe Dornbirn eingeschlossen). Er hat die Dinge auf den Punkt gebracht …«. Da sind die wesentlich jüngeren Kollegen bisweilen anderer Meinung. Doch ist das Buch auch aufschlussreich über die Vorarlberger Grafikszene der zweiten Jahrhunderthälfte.
Elias Riedmann
Othmar Motter, Meister der Extrabold.
Ein Streifzug durch das Archiv der Vorarlberger Graphik
352 Seiten
Mit 5 Motter-Fonts
Festband
Triest Verlag Zürich 2019
ISBN 978–3–03863–033–3 47
47 Euro
Weitere Blogbeiträge, die Sie interessieren könnten
Anette Lenz und ihre experimentelle Ordnung
»Was lange währt, wird gut« und vom Wert des Wandels erfuhr man sehr schnell von Anette Lenz in einem anderen Sinn. Der schöne Text in der Ankündigung ist vergessen, denn manchmal kommt es doch im Vortrag selbst ganz anders. Boris Kochan begeisterte sich für die Werkstatt von Anette Lenz in Paris und meinte in seiner Vorstellung, dass sie einfach über das, was sie macht, reden sollte.
Konkrete Poesie, Typografie und Eugen Gomringer
Konkrete Poesie, wie sie vor allem in den 1950er Jahren entstand, basiert auf Typografie. Und die Typografie ist die der damaligen Moderne. Mit dem Werk von Eugen Gomringer befinden wir uns also in den aufregenden Jahren der Nachkriegszeit, allerdings in der Schweiz.
Paula Scher – ein Ausstellungsbesuch
Es ist die erste Ausstellung (23. 6. 2023 bis 22. 9. 2024) in Deutschland, die Paula Scher gewidmet ist und die sie mit viel Gespür für den Raum einzigartig inszeniert hat. Immer steht die Typografie im Fokus all ihrer Arbeiten, egal ob es sich um ein Logo, Corporate-Identity-Aufträge, Plattencover oder die Arbeiten für Organisationen wie das New York Public Theatre handelt. Seit 1991 ist sie Partnerin in der New Yorker Niederlassung von Pentagram.