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Event

Anette Lenz und ihre experimentelle Ordnung

Rudolf Paulus Gorbach
14. Mai 2013
»Was lange währt, wird gut« und vom Wert des Wandels erfuhr man sehr schnell von Anette Lenz in einem anderen Sinn. Der schöne Text in der Ankün­digung ist vergessen, denn manchmal kommt es doch im Vortrag selbst ganz anders. Boris Kochan begeisterte sich für die Werkstatt von Anette Lenz in Paris und meinte in seiner Vorstellung, dass sie einfach über das, was sie macht, reden sollte.

Nach ihrem Studium in München und der ersten Anstellung bei einem streng gestal­tenden Büro in München (Günter Becker) ging sie 1989 nach Frankreich, wo Grafik-Design mehr aus Illus­tration und Kunst bestand (oder noch besteht) und die deutsche Strenge keine so große Rolle spielte. Das fiel zwar mit dem Ende der DDR zusammen, als viele ihrer Alters­ge­nossen ziel­strebig nach Berlin gingen. Ihr Weg führte jedoch zur Gruppe Grapus nach Paris, jene Gestal­ter­gruppe, die legendär für ihre expe­ri­mentelle und kultur­po­li­tische Haltung war. Poli­tische und kulturelle Bilder wurden dort als Grafik für öffent­lichen Nutzen entwickelt. Dabei muss man wissen, dass in Frankreich die Wege von Kultur und Industrie ziemlich getrennt sind. Alex Jordan von Grapus, der jetzt an der Hoch­schule in Weis­sensee unter­richtet, war für sie wichtig geworden.

Aber das eigene Atelier folgte schon seit 1993 in der Nähe der Pariser Bastille. Als Außen­ste­hender empfindet man ihre Arbeiten dann schon wie eine Fort­s­etzung der Grapus-Arbeit. Es folgten zahl­reiche kulturelle Aufträge, wie z.B. für die Klas­sik­konzerte von Radio France, für die Hoch­schule in Metz ein flie­ßendes Logo und das Plakat für die Ausstellung »Zeit­zeiger« im Plakat­museum Essen.

Doch besonders eindrü­cklich sind die Arbeiten für verschiedene Thea­te­re­pochen in Paris und der oft überhaupt nicht »provin­ziellen« Provinz Frank­reichs. Die Kommu­ni­kation muss dabei das Theater immer über längere Zeiten reprä­sen­tieren und das gelingt mit ganz neuen (Plakat)bildern.

Die Liebe zum Haiti­a­nischen des Plakats ist deutlich bei Anette Lenz, wie die Größe des fran­zö­sischen Plakat­formats, der Geruch von Druck und Papier und das Fühlen der Ober­fläche. Blau über­klebte Plakat­flächen empfand sie als Poesie im öffent­lichen Raum und diese regten sie zu einer inter­es­santen Serie mit großen Farb­flächen an.

Für ein Comic-Festival in Angoulême, einer abge­legenen Kleinstadt, entstanden durch die Zusam­me­n­arbeit mit einem anderen Grafiker völlig neue visuelle Eindrücke. Besonders gefielen mir die Plakat­serien, die aus einem Farb­schema und Raster­strukturen entwickelt wurden. Dort begann die dritte Dimension zu wirken und die Raster­felder formierten sich zu Kulis­sen­teilen.

Und bei der Verwendung von Fotos ergeben sich oft Seiten­effekte, die durch Gegen­über­stel­lungen zu Geschichten werden. Manchmal gibt es Rasteran­klänge an Moholy-Nagy’s Fotos. Mit dem Einsatz von Lack auf der Schrift kommt eine weitere Dimension hinzu, was natürlich im Vortrag erklärt werden musste. Über­einander gestellte verschie­den­artige Schriften wurden nach Ansicht der Auftraggeber eher als Kunstwerk denn als Plakat empfunden, daher stieß eine Plakatserie auf Ablehnung. Jedoch erfuhr Anette Lenz noch eine Bestä­tigung ihrer Arbeit, als dann doch die schönen Schrift­kom­po­si­tionen als Plakat realisiert wurden.

Ihre bisherigen Plakat­a­r­beiten konnte sie in einer Bibliothek in Le Havre ausstellen.

Ihre Auftraggeber, die Inten­danten von Theatern, reisten umher und so reisten auch Anette Lenz’ grafische Arbeiten. Zuletzt landeten sie im Kultur­zentrum La Filature in Mühl­hausen.

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