typographische
zitate
Wir entwerfen, weil wir suchen, nicht weil wir wissen.
Otl Aicher

Typographische
Gesellschaft
München e. V.

Goethe­straße 28 Rgb.
80336 München

info@tgm-online.de
089.7 14 73 33

Event

Anette Lenz und ihre experimentelle Ordnung

Rudolf Paulus Gorbach
14. Mai 2013
»Was lange währt, wird gut« und vom Wert des Wandels erfuhr man sehr schnell von Anette Lenz in einem anderen Sinn. Der schöne Text in der Ankün­digung ist vergessen, denn manchmal kommt es doch im Vortrag selbst ganz anders. Boris Kochan begeisterte sich für die Werkstatt von Anette Lenz in Paris und meinte in seiner Vorstellung, dass sie einfach über das, was sie macht, reden sollte.

Nach ihrem Studium in München und der ersten Anstellung bei einem streng gestal­tenden Büro in München (Günter Becker) ging sie 1989 nach Frankreich, wo Grafik-Design mehr aus Illus­tration und Kunst bestand (oder noch besteht) und die deutsche Strenge keine so große Rolle spielte. Das fiel zwar mit dem Ende der DDR zusammen, als viele ihrer Alters­ge­nossen ziel­strebig nach Berlin gingen. Ihr Weg führte jedoch zur Gruppe Grapus nach Paris, jene Gestal­ter­gruppe, die legendär für ihre expe­ri­mentelle und kultur­po­li­tische Haltung war. Poli­tische und kulturelle Bilder wurden dort als Grafik für öffent­lichen Nutzen entwickelt. Dabei muss man wissen, dass in Frankreich die Wege von Kultur und Industrie ziemlich getrennt sind. Alex Jordan von Grapus, der jetzt an der Hoch­schule in Weis­sensee unter­richtet, war für sie wichtig geworden.

Aber das eigene Atelier folgte schon seit 1993 in der Nähe der Pariser Bastille. Als Außen­ste­hender empfindet man ihre Arbeiten dann schon wie eine Fort­s­etzung der Grapus-Arbeit. Es folgten zahl­reiche kulturelle Aufträge, wie z.B. für die Klas­sik­konzerte von Radio France, für die Hoch­schule in Metz ein flie­ßendes Logo und das Plakat für die Ausstellung »Zeit­zeiger« im Plakat­museum Essen.

Doch besonders eindrü­cklich sind die Arbeiten für verschiedene Thea­te­re­pochen in Paris und der oft überhaupt nicht »provin­ziellen« Provinz Frank­reichs. Die Kommu­ni­kation muss dabei das Theater immer über längere Zeiten reprä­sen­tieren und das gelingt mit ganz neuen (Plakat)bildern.

Die Liebe zum Haiti­a­nischen des Plakats ist deutlich bei Anette Lenz, wie die Größe des fran­zö­sischen Plakat­formats, der Geruch von Druck und Papier und das Fühlen der Ober­fläche. Blau über­klebte Plakat­flächen empfand sie als Poesie im öffent­lichen Raum und diese regten sie zu einer inter­es­santen Serie mit großen Farb­flächen an.

Für ein Comic-Festival in Angoulême, einer abge­legenen Kleinstadt, entstanden durch die Zusam­me­n­arbeit mit einem anderen Grafiker völlig neue visuelle Eindrücke. Besonders gefielen mir die Plakat­serien, die aus einem Farb­schema und Raster­strukturen entwickelt wurden. Dort begann die dritte Dimension zu wirken und die Raster­felder formierten sich zu Kulis­sen­teilen.

Und bei der Verwendung von Fotos ergeben sich oft Seiten­effekte, die durch Gegen­über­stel­lungen zu Geschichten werden. Manchmal gibt es Rasteran­klänge an Moholy-Nagy’s Fotos. Mit dem Einsatz von Lack auf der Schrift kommt eine weitere Dimension hinzu, was natürlich im Vortrag erklärt werden musste. Über­einander gestellte verschie­den­artige Schriften wurden nach Ansicht der Auftraggeber eher als Kunstwerk denn als Plakat empfunden, daher stieß eine Plakatserie auf Ablehnung. Jedoch erfuhr Anette Lenz noch eine Bestä­tigung ihrer Arbeit, als dann doch die schönen Schrift­kom­po­si­tionen als Plakat realisiert wurden.

Ihre bisherigen Plakat­a­r­beiten konnte sie in einer Bibliothek in Le Havre ausstellen.

Ihre Auftraggeber, die Inten­danten von Theatern, reisten umher und so reisten auch Anette Lenz’ grafische Arbeiten. Zuletzt landeten sie im Kultur­zentrum La Filature in Mühl­hausen.

Weitere Blogbeiträge, die Sie interessieren könnten

Event

Signs of the times

Michael Lang

Die zwei­tägige Granshan-Konferenz fand im Lite­ra­turhaus mit seinem über­wäl­ti­genden Panorama über München statt. Auf der Bühne war das beherr­schende Motiv der Berg Ararat. Dieses arme­nische Wahr­zeichen verwies auf den Beginn der Idee, das sich mit nicht-latei­nischen Schriften zu beschäftigen.

Granshan-Konferenz im Literaturhaus München
Event

Streifzüge ins Neben

Gabriele Werner

Zwei Teil­neh­me­rinnen unserer Reise nach Paris geben uns einen Eindruck von der Vielfalt und der Dynamik dieser Reise. Gabriele Werners lässt in ihrem Bericht die viel­fältigen künst­le­rischen und kultu­rellen Erfah­rungen der Teil­nehmer lebendig werden, Judith Häusler zeigt in ihren Fotos u.a. Kunst, Begegnung und Inspi­ration in den Ausstel­lungen von Joseph Beuys und Anselm Kiefer.

Buchbesprechung

Schrift­ähnlich tanzen

Rudolf Paulus Gorbach

Es geht also hier nicht um die Moti­vation zum Schreiben, sondern um das freie Spiel mit der Tinte. Aber »hand­schriftlich« ist es schon. Hans-Jürgen Willuhn und Pauline Altmann (beide lehren in Potsdam) laden mit dem Buch »Tintentanz« zu einem Ausdrucks­exzess mit der eigenen Hand­schrift ein.

Doppelseite auf dem „Tintentanz“ von Buch Hans-Jürgen Willuhn und Pauline Altmann
Buchbesprechung

Expe­ri­mentelle Typo­grafie heute

Rudolf Paulus Gorbach

Typo­gra­fische Expe­rimente sind für Gestal­te­rinnen und Gestalter sehr reizvoll. Denn dabei verlässt man oft die Funk­tionen der Typo­grafie und nähert sich sogar der Kunst. Die Frage ist: Wann oder wo beginnt Gestaltung als Expe­riment? Wo verlässt es die eigentliche Typo­grafie? Und inwiefern kann sie für eine zeit­gemäße Desi­gnfor­schung von Nutzen sein?

Buchbesprechung

Kuba­nische Plakatkunst

Martina Kopp

Slanted #21: CUBAN POSTER ART – The New Gene­ration erscheint im Frühjahr 2013 mit einem Umfang von 320 Seiten (!). Wie der Titel schon sagt, geht es um aktuelle, kuba­nische Plakatkunst und Design – den jungen, talen­tierten Kubanern soll eine Plattform geboten und der Welt gezeigt werden, welch groß­artige Dinge dort entstehen.

Event

Braucht Design neue »Formate«?

Rudolf Paulus Gorbach

Der Vortrag von Claudia Fischer-Appelt stand unter dem Titel »Vom Mut zum Expe­riment – Design braucht neue Formate«. Sie stellte ihre Thesen anhand von Arbeiten aus ihrer Agentur vor und betonte die Wich­tigkeit von Krea­tivität, Know-how und Mut, von Machen und Durch­halten.

Claudia Fischer-Appelt