Anette Lenz und ihre experimentelle Ordnung
Nach ihrem Studium in München und der ersten Anstellung bei einem streng gestaltenden Büro in München (Günter Becker) ging sie 1989 nach Frankreich, wo Grafik-Design mehr aus Illustration und Kunst bestand (oder noch besteht) und die deutsche Strenge keine so große Rolle spielte. Das fiel zwar mit dem Ende der DDR zusammen, als viele ihrer Altersgenossen zielstrebig nach Berlin gingen. Ihr Weg führte jedoch zur Gruppe Grapus nach Paris, jene Gestaltergruppe, die legendär für ihre experimentelle und kulturpolitische Haltung war. Politische und kulturelle Bilder wurden dort als Grafik für öffentlichen Nutzen entwickelt. Dabei muss man wissen, dass in Frankreich die Wege von Kultur und Industrie ziemlich getrennt sind. Alex Jordan von Grapus, der jetzt an der Hochschule in Weissensee unterrichtet, war für sie wichtig geworden.
Aber das eigene Atelier folgte schon seit 1993 in der Nähe der Pariser Bastille. Als Außenstehender empfindet man ihre Arbeiten dann schon wie eine Fortsetzung der Grapus-Arbeit. Es folgten zahlreiche kulturelle Aufträge, wie z.B. für die Klassikkonzerte von Radio France, für die Hochschule in Metz ein fließendes Logo und das Plakat für die Ausstellung »Zeitzeiger« im Plakatmuseum Essen.
Doch besonders eindrücklich sind die Arbeiten für verschiedene Theaterepochen in Paris und der oft überhaupt nicht »provinziellen« Provinz Frankreichs. Die Kommunikation muss dabei das Theater immer über längere Zeiten repräsentieren und das gelingt mit ganz neuen (Plakat)bildern.
Die Liebe zum Haitianischen des Plakats ist deutlich bei Anette Lenz, wie die Größe des französischen Plakatformats, der Geruch von Druck und Papier und das Fühlen der Oberfläche. Blau überklebte Plakatflächen empfand sie als Poesie im öffentlichen Raum und diese regten sie zu einer interessanten Serie mit großen Farbflächen an.
Für ein Comic-Festival in Angoulême, einer abgelegenen Kleinstadt, entstanden durch die Zusammenarbeit mit einem anderen Grafiker völlig neue visuelle Eindrücke. Besonders gefielen mir die Plakatserien, die aus einem Farbschema und Rasterstrukturen entwickelt wurden. Dort begann die dritte Dimension zu wirken und die Rasterfelder formierten sich zu Kulissenteilen.
Und bei der Verwendung von Fotos ergeben sich oft Seiteneffekte, die durch Gegenüberstellungen zu Geschichten werden. Manchmal gibt es Rasteranklänge an Moholy-Nagy’s Fotos. Mit dem Einsatz von Lack auf der Schrift kommt eine weitere Dimension hinzu, was natürlich im Vortrag erklärt werden musste. Übereinander gestellte verschiedenartige Schriften wurden nach Ansicht der Auftraggeber eher als Kunstwerk denn als Plakat empfunden, daher stieß eine Plakatserie auf Ablehnung. Jedoch erfuhr Anette Lenz noch eine Bestätigung ihrer Arbeit, als dann doch die schönen Schriftkompositionen als Plakat realisiert wurden.
Ihre bisherigen Plakatarbeiten konnte sie in einer Bibliothek in Le Havre ausstellen.
Ihre Auftraggeber, die Intendanten von Theatern, reisten umher und so reisten auch Anette Lenz’ grafische Arbeiten. Zuletzt landeten sie im Kulturzentrum La Filature in Mühlhausen.
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