Horst Moser fragt Olaf Leu
Anhand der Biografie und vor allem der Arbeiten von Olaf Leu darf man einiges erwarten. Die überaus kenntnisreiche Gesprächsführung von Horst Moser war jedoch für das gute Gelingen ganz entscheidend. Moser stellt Zeitgenossen der Gestaltung gegenüber wie jene, die das moderne Zeitschriftendesign nach Amerika gebracht haben: Mehemed Fehmy Agha, Alexey Brodovitch und Alexander Liberman. Die Schriftentwerfer Paul Renner, Jan Tschichold, Hermann Zapf, Adrian Frutiger, Kurt Weidemann, Günter Gerhard Lange und Herbert Bayer. Und aus den 60er Jahren: Willy Fleckhaus, Heinz Edelmann und Otl Aicher. Die amerikanischen Gestalter: Milton Glaser, Herb Lubalin und Lou Dorfsman. Leu erzählt von seinem Beginn nach 1945 und dass er die großen Vorbilder suchte. Und gleich kommt auch seine Verwunderung darüber, dass man heute so viele neue Schriften entwirft, die man doch kaum braucht.
Nach einer Schriftsetzerlehre in Ulm kam Leu zur Bauerschen Gießerei nach Frankfurt und begann bereits als 19jähriger mit dem Entwurf von Einladungskarten für Veranstaltungen. Er beschäftigte sich bereits mit dem Erscheinungsbild des Hauses, was heute Corporate Design heißt. Und es begann eine weltweite Karriere, indem er in Ausstellungen und Vorträgen seine Arbeiten und die von vielen anderen Gestaltern zeigte und kommentierte.
Olaf Leu gestaltete für Schriften der Bauerschen Gießerei viele Anwendungsbeispiele. Unter anderem sagte er: »Ich kam just in der Folio-Entstehungszeit in das künstlerische Atelier. Die Folio war ein hauseigener Partisan gegen die Mutterkuh Futura. Natürlich auch eine Schrift gegen die Akzidenz Grotesk. Oder die Univers, das heißt eine gemilderte, weichere Groteskschrift. Das war die Folio. Sie wurde auch ausgebaut in verschiedenen Schnitten. Und ich hatte die Aufgabe, diese schmalfette Garnitur in der so bekannt gewordenen Folio-Mappe zu gestalten. Ich habe hier bildhafte Typografie, noch ohne amerikanisches Vorbild eingesetzt. …«
Über Werbung sprach Leu zwar kritisch, obwohl seine Fachwerbung für die Bauersche oder die Farbenfabrik Gebr. Schmidt oder die Papierfabrik Zanders legendär sind. »… ich bin ein Traumtänzer zwischen einem Grafikdesigner, Art Director und einem Werber. Einige Kollegen haben gesagt, der Olaf ist im Grunde genommen ein glänzender Werber, und ich bekenne mich auch dazu. Für mich war erstens der Text, die Sprache, wahnsinnig wichtig. Ich finde gute Texte sehr viel wichtiger als Schrift …«.
Horst Moser kam auch auf Leu’s Schrift »Centenial« zu sprechen und nannte gegenüberstellend Eigenschaften dieser Schrift, die im Gegensatz zur »Corporate« von Kurt Weidemann kein so großer Erfolg wurde. Die Begründung von Leu, dass die Corporate »mit ihren drei Schriftstilen … unter dem Protektorat des bestimmenden Vorstandsvorsitzenden von Daimler-Benz per Diktat vorgeschrieben wurde« und die Centenial eben »in ihrer Anwendung limitert wäre«.
Leu spielte für die Bekanntheit großer Amerikanischer Typografen und ihrer Arbeit für Deutschland eine wichtige Vermittlungsrolle. Er war auch schon relativ früh Mitglied des Type Directors Club (den er nach Westdeutschland brachte) und des ADC. Über »die neue amerikanische Schule« hielt er zahlreiche Vorträge, war selbst begeistert davon und vor allem von den Arbeiten Herb Lubalins.
Horst Moser sucht in dem Gespräch nach einem Stil Olaf Leus. Wozu Leu meinte, dass er ihn nicht finden könne, da er so viele Quellen habe. Und das gipfelte in der Aussage: »Ich war nie original, aber immer originell«. Doch kommt häufig seine kollegiale Haltung zu Textern oder Fotografen zur Geltung.
Natürlich nutzte Leu auch die technisch bedingten Moden, wie sie durch den aufkommenden Fotosatz beispielsweise als zusammengeklebte Buchstaben schon in den frühen sechziger Jahren zu sehen waren. Horst Moser stellt durch seine Fragen immer wieder den Kontakt zu Zeitgenossen her, wobei Leu darauf ziemlich frei und ungefiltert berichtet, was bisweilen auch sehr amüsant ist. Nicht vergessen werden darf Leus Rolle bei der Gestaltung von Geschäftsberichten. Er war wissenschaftlicher Leiter eines Prüfteams, das beim »manager- magazin« angesiedelt war und wurde schließlich eine »Autorität« im Bereich von Geschäftsberichten, der man gerne zuhörte.
Neben seinen gestalterischen Arbeiten hat Olaf Leu Beiträge für Fachmagazine geschrieben, Vorträge gehalten und auch gelehrt. Das bedeutet auch erheblichen Einfluss auf die Gestaltung der Zukunft zu nehmen. Ich erinnere mich an Vorträge der sechziger Jahre. Damals fand ich als Buchhersteller die visuelle Werbewelt, wie sie mir durch Olaf Leu (aber auch schon durch den Druckspiegel-Redakteur Kurt Weidemann und Günter Gerhard Lange, der zu meinem ersten Semester in Berlin die »Frontstadt« bereits verlassen hatte) nahe kam, ziemlich großartig.
Weitere Beiträge zu Leu sind in dieser Dokumentation .
Olaf Leu
Das Letzte Interview
Ein Gespräch mit dem Ehrenmitglied der Typographischen Gesellschaft München
über sein Lebenswerk mit Horst Moser.Â
Ausgewählte Arbeitsbeispiele aus fünf Jahrzehnten
illustrieren das Gespräch.
Privatdruck herausgegeben von der ›Sammlung Moser‹
(mit dem ›Archiv Olaf Leu‹), München, 2023
208 Seiten
Broschur
Zu beziehen ausschließlich bei hmoser@independent-medien-design.de
25 Euro + Porto
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Olaf Leu wird 85. Ein Schriftsetzer, Designer, Typograf, Professor, Autor und gefragtes Jurymitglied. Als einer der wenigen Werber machte er sich auch in den USA einen Namen. Kurz: »Typo-Papst« und natürlich tgm-Ehrenmitglied. Es ist nicht einfach, Leus umfangreiches Wirken in einem kurzen Beitrag zu würdigen. Wir lassen daher zuerst zwei große Koryphäen zu Wort kommen.
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