typographische
zitate
Gute Typo­grafie ist wesentlich ein Ergebnis wohl­über­legter Anordnung.
Jan Tschichold

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Menschen

Design-Grandseigneur par excellence

Andreas Sebastian Müller
Horst Moser
28. Juli 2021
Olaf Leu wird 85. Ein Schrift­setzer, Designer, Typograf, Professor, Autor und gefragtes Jury­mitglied. Als einer der wenigen Werber machte er sich auch in den USA einen Namen. Kurz: »Typo-Papst« und natürlich tgm-Ehren­mitglied. Es ist nicht einfach, Leus umfang­reiches Wirken in einem kurzen Beitrag zu würdigen. Wir lassen daher zuerst zwei große Koryphäen zu Wort kommen.
Olaf Leu beim letzten Interview
Olaf Leu bei seinem »letzten Interview« bei der tgm in München am 18. Juni 2022 – wortgewaltig und geistreich.

Lou Dorfsman in der »Graphis« von 1969

»Als erst 32-jähriger verlieh Olaf Leu der euro­pä­ischen Gebrauchs­graphik neue Impulse. Er ist aber auch hervor­ragend als Kommu­nikator. Und in einer Welt, in der soviel von der Weitergabe von Infor­ma­tionen abhängt, können wir um ihn nur froh sein. Es war schon immer meine Über­zeugung, dass sich schöp­fe­risches Denken dadurch erwerben lässt, dass man seinen Geist fragend und wach hält. …

Leu ist das, was wir ein ›Natur­talent‹ nennen. Er hat keinerlei formelle Ausbildung als Werbe­gra­phiker genossen, sondern begann seine Laufbahn als Setzer. Dieser frühen Tätigkeit verdankt er jene typo­gra­phische Virtu­osität, die seine Arbeiten kenn­zeichnet. Sein geübtes Auge erfasst den richtigen Gebrauch der Schrift, respektiert die Grenzen ihrer Möglich­keiten, und schließlich entsteht eine visuelle Botschaft, die hervor­sticht wie eine Wagner-Arie. Man spürt, wie seine geschickten Hände Text und Bild in Einklang bringen. Man spürt die Bedeutung der Worte durch ihre visuelle Anwendung und durch ihren Einbezug in das Ganze.

Olaf Leu ist ein kühner, furchtloser Einzel­­gänger. Er bedient sich der Tradition in ihren besten Ausdrucks­­­formen, akzeptiert aber auch den freien, unge­hemmten ameri­ka­nischen Stil, was eine inter­essante Mischung ergibt. Er ist eines jener seltenen Talente, die es verstehen, die Illus­tration, besonders die Foto­­grafie, richtig einzu­setzen, und die – und das ist das Wich­tigste! – ein echtes Flair für die Werbe­wirk­samkeit einer Idee haben und die dann auch mit dem Geschick des Drama­turgen alle Elemente in die rechte Beziehung zueinander bringen … 

Das Höchste, was ich über Olaf Leu sagen kann, ist, dass er über­all bedeutend wäre, sogar hier in New York, wo die Konkurrenz am schärfsten ist.«

Herb Lubalin in der »Gebrauchs­graphik«, 1971

»Dass jemand bereits in so jungen Jahren so gut sein kann, erfüllt uns mit ungläubigem Staunen. Ich glaube, dass Olaf Leus geheim­nisvolle Wirkung das Ergebnis seiner Über­zeu­gungskraft und scharfen Beob­ach­tungsgabe, vor allem aber seines großen Talents als Designer ist. Es ist leichter, sich einen Namen zu machen als Experte im Design von Firmen­ge­sichtern, von hervor­ra­genden Verpa­ckungen, als Art Director oder typo­gra­fischer Designer, als Plakat­künstler oder Entwerfer archi­tek­to­nischer Grafik, als sich auf allen diesen Gebieten gleich­zeitig zum Fachmann heran­zu­bilden.

Der seit geraumer Zeit in Amerika zu beob­achtende Trend zur Spezi­a­li­sierung hat dazu geführt, dass man die Grafiker, die sich in jedem der oben genannten Spezi­al­gebiete mit gleicher Meis­ter­schaft bewegen können, hier­zulande an drei Fingern einer Hand abzählen kann. Deshalb ist es für mich erfri­schend, einen euro­pä­ischen Designer kennen­zu­lernen, der sich auf all diesen Gebieten mit der voll­endeten Sicherheit eines Meisters seines Berufes bewegt. Olaf Leu ist wirklich ein Renais­sance­mensch unter den Designern. Er vereint alle diese Fähig­keiten in sich, ohne irgend­welche Zuge­ständnisse an die Perfektion der Ausführung machen zu müssen.«

Mit Olaf Leu verbindet uns eine jahr­zehn­telange Freund­schaft. Vor wenigen Tagen fanden wir uns dann am Tisch im Café an der Monacensia in München wieder – mit dem hoch­le­bendigen, geist­reichen Grands­eigneur des Designs, wie immer Zigarillo rauchend. Das Thema ist die Vorbe­reitung der nächsten großen Veran­staltung. Dieses Mal soll es eine Matinee mit Interview über seine zeitlosen Einsichten und sein Lebenswerk werden. Der Arbeitstitel: »Das letzte Interview«.

Lieber Olaf Leu, 85 …? Chapeau! Im Namen aller Freunde mutiger typo­gra­fischer Kommu­ni­kation gratu­lieren wir Dir recht herzlich.