Design-Grandseigneur par excellence
Lou Dorfsman in der »Graphis« von 1969
»Als erst 32-jähriger verlieh Olaf Leu der europäischen Gebrauchsgraphik neue Impulse. Er ist aber auch hervorragend als Kommunikator. Und in einer Welt, in der soviel von der Weitergabe von Informationen abhängt, können wir um ihn nur froh sein. Es war schon immer meine Überzeugung, dass sich schöpferisches Denken dadurch erwerben lässt, dass man seinen Geist fragend und wach hält. …
Leu ist das, was wir ein ›Naturtalent‹ nennen. Er hat keinerlei formelle Ausbildung als Werbegraphiker genossen, sondern begann seine Laufbahn als Setzer. Dieser frühen Tätigkeit verdankt er jene typographische Virtuosität, die seine Arbeiten kennzeichnet. Sein geübtes Auge erfasst den richtigen Gebrauch der Schrift, respektiert die Grenzen ihrer Möglichkeiten, und schließlich entsteht eine visuelle Botschaft, die hervorsticht wie eine Wagner-Arie. Man spürt, wie seine geschickten Hände Text und Bild in Einklang bringen. Man spürt die Bedeutung der Worte durch ihre visuelle Anwendung und durch ihren Einbezug in das Ganze.
Olaf Leu ist ein kühner, furchtloser Einzelgänger. Er bedient sich der Tradition in ihren besten Ausdrucksformen, akzeptiert aber auch den freien, ungehemmten amerikanischen Stil, was eine interessante Mischung ergibt. Er ist eines jener seltenen Talente, die es verstehen, die Illustration, besonders die Fotografie, richtig einzusetzen, und die – und das ist das Wichtigste! – ein echtes Flair für die Werbewirksamkeit einer Idee haben und die dann auch mit dem Geschick des Dramaturgen alle Elemente in die rechte Beziehung zueinander bringen …
Das Höchste, was ich über Olaf Leu sagen kann, ist, dass er überall bedeutend wäre, sogar hier in New York, wo die Konkurrenz am schärfsten ist.«
Herb Lubalin in der »Gebrauchsgraphik«, 1971
»Dass jemand bereits in so jungen Jahren so gut sein kann, erfüllt uns mit ungläubigem Staunen. Ich glaube, dass Olaf Leus geheimnisvolle Wirkung das Ergebnis seiner Überzeugungskraft und scharfen Beobachtungsgabe, vor allem aber seines großen Talents als Designer ist. Es ist leichter, sich einen Namen zu machen als Experte im Design von Firmengesichtern, von hervorragenden Verpackungen, als Art Director oder typografischer Designer, als Plakatkünstler oder Entwerfer architektonischer Grafik, als sich auf allen diesen Gebieten gleichzeitig zum Fachmann heranzubilden.
Der seit geraumer Zeit in Amerika zu beobachtende Trend zur Spezialisierung hat dazu geführt, dass man die Grafiker, die sich in jedem der oben genannten Spezialgebiete mit gleicher Meisterschaft bewegen können, hierzulande an drei Fingern einer Hand abzählen kann. Deshalb ist es für mich erfrischend, einen europäischen Designer kennenzulernen, der sich auf all diesen Gebieten mit der vollendeten Sicherheit eines Meisters seines Berufes bewegt. Olaf Leu ist wirklich ein Renaissancemensch unter den Designern. Er vereint alle diese Fähigkeiten in sich, ohne irgendwelche Zugeständnisse an die Perfektion der Ausführung machen zu müssen.«
Mit Olaf Leu verbindet uns eine jahrzehntelange Freundschaft. Vor wenigen Tagen fanden wir uns dann am Tisch im Café an der Monacensia in München wieder – mit dem hochlebendigen, geistreichen Grandseigneur des Designs, wie immer Zigarillo rauchend. Das Thema ist die Vorbereitung der nächsten großen Veranstaltung. Dieses Mal soll es eine Matinee mit Interview über seine zeitlosen Einsichten und sein Lebenswerk werden. Der Arbeitstitel: »Das letzte Interview«.