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Gute Schrift, richtige Anordnung – das sind die beiden Pfeiler aller Schriftkunst.
Jan Tschichold

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Branche

Schwarz auf Weiß, wiederentdeckt

Michi Bundscherer
22. September 2025
Seit über zwanzig Jahren begleitet uns E-Paper als Verheißung: ein Display, das sich »anfühlt« wie Papier. Doch trotz Kindle & Co. blieb diese Technik ein Sonderfall. Zu träge, zu beschränkt, zu teuer. Bis jetzt: Mit dem Modos Paper Monitor versucht erstmals ein offenes Hardware-Projekt, E-Paper erneut ins Blickfeld zu rücken.
E-Paper-Monitor-Bausatz aus Panel und Platine
Der Modos Paper Dev Kit ist kein fertiger Bildschirm, sondern ein Bausatz aus Panel und Steuerplatine – gedacht zum Experimentieren.

Herkömmliche Displays lassen Schrift leuchten. Jeder Buchstabe gestochen scharf, doch physio­logisch anstrengend. Denn unser Auge ist auf reflek­tiertes Licht einge­stellt, nicht auf direkte Strahlung. Stun­den­langes Arbeiten vor selbst­leuch­tenden Pixeln führt erwie­se­nermaßen zu schnellerer Ermüdung. Blau­anteile im Displaylicht können zusätzlich den Schlaf­rhythmus stören. Kein Zufall also, dass Typograf:innen im Druck für Texte mattes, nicht zu weißes Papier bevorzugen.

Hier setzt E-Paper bei digitalen Displays an: keine Strahlung, kein Flimmern, sondern Reflektion. Der Text erscheint als Ober­fläche, nicht als hinter­leuchtete Projektion. Dadurch wirkt das Lesen natür­licher – näher an der Logik des Papiers.

Doch diese Technik hat Grenzen: langsame Bild­wie­der­holraten, schwacher Kontrast, keine Farbe. Für Games oder Videos ist das untauglich. Für Text ist es aber gerade deshalb inter­essant. Denn wo visuelle Effekte fehlen, tritt die Schrift selbst in den Vordergrund.

Mit dem Modos Paper Dev Kit wagt sich nun ein offenes Hardware-Projekt auf dieses Terrain. Es kombiniert ein großes E-Paper-Panel mit einer frei doku­men­tierten Steu­er­platine. Geliefert wird also kein elegantes Endgerät im Gehäuse, sondern ein Baukasten, mit dem Entwickler:innen, Bastler:innen und Gestalter:innen eigene Lösungen erproben können.

Noch ist der Modos Paper Monitor also kein fertiges Produkt, sondern ein Baukasten. Doch die Technik hat einen entschei­denden Sprung gemacht: 75-Hertz-Bild­wie­der­holrate, unter 100-Milli­se­kunden-Latenz und voll­ständig offen doku­mentiert. Damit markiert das Dev Kit einen bemer­kens­werten Moment: den Versuch, ein Versprechen einzulösen – dass Schrift auf dem Bild­schirm so ruhig erfahrbar und Text so selbst­ver­ständlich lesbar werden könnte wie auf mattem Papier.

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