Basel und eine Stilgeburt
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Kunst- und Gewerbeschulen sowie Gewerbemuseen gegründet. In diesem Zusammenhang entstanden auch die ersten gestalterischen Vorkurse für verschiedene Fachausbildungen. Am Bauhaus in Weimar spielte der Vorkurs eine sehr wichtige Rolle, wobei sich die Vorkurskonzepte von Johannes Itten, Josef Albers oder Làzló Moholy-Nagy bereits stark unterschieden.
Das »Schweizer Plakat« als Parallele zur Schweizer Grafik entwickelte sich bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts recht eigenständig (Burkhard Mangold, Paul Kammüller, Robert Stöcklin). Viele ausländische Lehrer unterrichteten in Basel, so Fritz Helmut Ehmke, Anna Simons, Anton Stankowsky oder Jan Tschichold, zum Teil als Flüchtlinge.
Dorothea Hofmann hat ein umfangreiches und mit vielen Beispielen versehenes Buch vorgelegt. Die Basler Schule für Gestaltung war sehr wichtig für die Entwicklung der Nachkriegsgestaltung. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die Entwicklung der Typografie-Lehre.
Das Schweizer Design wird derzeit sehr intensiv beschrieben und aufgearbeitet (siehe auch Grafikdesign und historische Forschung", tgm-Blog vom 11. Januar 2017 und Les Suisses de Paris" über die Schweizer in Frankreich, tgm-Blog vom 21. November 2016). Ergänzt dieses Buch richtig?
In den zwanziger Jahren brachte Ernst Keller sehr dominante Schüler hervor: Walter Käch, Theo Balmer, Hermann Eidenbenz, Max Huber und Richard Paul Lohse.
Schüler des Fotografen Hans Finsler waren René Burry, Karl Gerstner, Bruno Bischoberger, Ernst Scheidegger u.a. Die Fotomontage, wie sie Herbert Matter lehrte, und die Konkrete Kunst wurden für die Gestaltungsrichtungen der Basler Schule wichtig.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wird das Berufsbild des Typografen in Basel aufgewertet und ihm endlich eine eigenständige künstlerische Gestaltungskraft zugestanden. Die Werbung verändert sich, ein neues, typografisch dominiertes Grafikbild entsteht. Neben anderen wichtigen Lehrern sind Armin Hofmann und Emil Ruder die wichtigsten Impulsgeber. Dieser Stil wird aber auch von Wirtschaft und Industrie, vor allem aber von kulturprägenden Institutionen übernommen. So »erobert« über Basel (aber auch Zürich) eine neue, strenge und funktionale Gestaltung die Welt, die später als »Internationaler Stil« bekannt wird. Stilbildend wirken große Firmen wie Geigy, deren Atelierpersonal wiederum eng mit der Kunstgewerbeschule zusammenarbeitet. Max Schmid als Leiter des Geigy-Ateliers arbeitet mit Karl Gerstner zusammen, der als einer der wichtigsten Erneuerer von Typografie, Werbegrafik und Corporate Design gilt. Basler Professoren nehmen Lehraufträge in den USA an und vor allem über Armin Hofmann wird das Schweizer Grafikdesign in Amerika etabliert. Die tonangebende Zeitschrift »Die neue Grafik« erscheint jedoch in Zürich. Aus der typografischen Überzeugung Emil Ruders entsteht auch das wohl wichtigste Lehrbuch der Schweizer Typografie (Ruder, Typografie).
Leider finden die späteren und äusserst wichtigen Lehrer wie Wolfgang Weingart und Emil Ruder kaum Platz. Insofern bricht die Geschichte in den sechziger Jahren etwas ab.
Gestaltung und Druck des Buches sind von solidem Standard. Die vielen Gestaltungsbeispiele von Pestalozzi bis heute sind sehr anregend. Allerdings ist die stark klammernde Bindung (mit dem funktionswidrigen geraden Rücken) für den Benutzer ein nicht zu rechtfertigendes Ärgernis. Das hat auch die Freude an der Arbeit mit diesem Buch gedämpft. Das Buch bleibt leider nicht aufgeschlagen, sondern schließt sich immer wieder von selbst.
Dorothea Hofmann
Die Geburt eines Stils
Der Einfluss des Basler Ausbildungsmodells auf die Schweizer Grafik
472 Seiten mit 400 Abbildungen und 1 Plakat
Triest Verlag Zürich, 2016
ISBN 978–3–03863–017–3
65 Euro
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