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In Systemen zu denken und zu arbeiten, schafft neue Perspektiven.
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Event

Annett Zinsmeisters Systemsicht der Platte

Rudolf Paulus Gorbach
29. Januar 2013
Die Künstlerin Annett Zins­meister sieht all ihre Arbeiten unter dem Thema »Umbruch mit Wandel«. Und das scheint nicht nur ein Kompliment an das Jahresthema der tgm zu sein sondern sie zeigte das auch. Da fällt auch gleich das Zitat von Heraklit: Nichts ist so beständig wie der Wandel.

Über den Titel ihres Vortrags »Wahr­nehmung gestalten« rätselte sie etwas. Und viel­leicht sind es ja auch zwei völlig verschiedene Bereiche: Wahr­nehmung von Gestaltung oder das Gestalten, um etwas wahr­zu­nehmen?

Den Raum als Thema des Wandels der Städte beob­achtete sie beispielsweise mit dem Wandel Berlins seit 1989. Bedeuten Verän­de­rungen Befreiung oder ist es eher schmerzhaft? Stuttgart 21 wird nach wie vor bekämpft, aber sie findet, dass die Diskussion eher spaltend wirkt. Nähe und Ferne nähern sich in unserer Gesell­schaft an; das Private wird weniger. Was bedeutet dann Identität, wo finden wir sie, und wo in der Archi­tektur? Ihr Versuch, Archi­tektur, Kunst und Wissen­schaft gleich­zeitig zusam­men­zu­bringen, zeichnet sie als Künstlerin aus. Und sie bekennt, dass »das Schreibzeug an den Gedanken mita­r­beitet« (Nietzsche).

Virtual Interior UM sw space installation 2007, documented in lightbox with large-scale back-lit laserchrome, 61 × 100 × 10 cm

Ihre Projekte sind alle sehr inter­essant, wenn man sich mit Gestaltung generell ausein­an­dersetzt. Bei Libeskinds jüdischem Museum in Berlin geht es um das Thema Fenster und Durch­brüche. Auch bei Situa­tionen in Berlin mit histo­rischen Spuren wie beim ehemaligen Außen­mi­nis­terium, das saniert und dann abge­rissen wurde, zeigt sie ihr Können. In Mehr­fach­be­lich­tungen bildet sie verschiedene Zeiten ab »Berlin Tuning«. Gegen­stände der DDR-Kultur werden anhand der Warenwelt als Raum­konzept für Fehl­produkte der DDR untersucht.

Annäht Zins­meister sieht den Plat­tenbau als kultu­relles Phänomen. In der DDR waren dort begehrte Wohnungen zu finden. Diese Gebäude breiteten sich nicht nur in Berlin (z.B. Berlin Lich­tenberg) aus, sondern wurden weltweit gebaut. Dabei handelt es sich um bestimmte Gebäu­detypen, die immer wieder errichtet wurden. Ein Stan­dard­sor­timent wurde als Baukasten verwendet. Die verschiedenen Bautypen sollten eigentlich gemischt werden, was aber mit Fünf-Jahres-Plänen nicht möglich war. Die dabei vorge­sehenen Fassaden und Gebäu­detypen hat Zins­meister erforscht und bestimmt.

Es handelt sich um eine Archi­tektur des Verschwindens, da sie inzwischen weit­gehend renoviert und verschönert wurden. Und so tritt die »Platte« in ganz verschiedenen Projekten Annett Zins­meisters immer wieder auf, wie bei einem Fassaden-Memory; Plat­tenbau im Raster und den einzelnen Elementen (Museum Osthaus 2002); Mediale Module: neue Fassaden in Form von Tapeten; der Plat­tenbau als Wand; Plat­tenbau im Fahr­stuhl­schacht (Raster­fahndung Stuttgart, Kunst­museum 2012) oder Mini­ma­lismus und Erschauen durch Fassa­denwände (Solitude). Und dazu sind für alle Projekte Bücher erschienen.

Plattenbau P2/11 1993-03 c-print, alu dibond, 80 × 80 cm

Andere Projekte befassen sich beispielsweise mit der Identität der Bewohner von Nürtingen oder der Zerstörung von Sarajevo, einer kultu­rellen Stadt, und wie damit umge­gangen wird. Dabei zeigt sie verfremdete Foto­grafien, die einen anderen Blick provo­zieren sollen, viel­leicht auch um aus der üblichen Bilderflut heraus­zu­kommen.

Mehr über Annett Zins­meister unter anderem auf ihrere Homepage.

Plattenbau ornament 1993-03 c-print, alu dibond, 80 × 80 cm

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