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Buchbesprechung

Psychologische Wirkung von Gestaltung

Rudolf Paulus Gorbach
17. Januar 2017
Gestaltung ist das eine, vertraut, alltäglich – aber wie kommt die Gestaltung beim Nutzer, bei der Ziel­gruppe an? Von erfolg­reicher Gestaltung spricht man, wenn sie den oder die Ange­spro­chenen auch erreicht und womöglich etwas bewirkt. Darum geht es in diesem Buch eines Auto­renduos, das aus einem Art Director und einem Psychologen besteht.

Ich war zunächst erschrocken über den gewaltigen Umfang des Buches und mutmaßte, ob das Thema schon vor der Zeit von Adam und Eva behandelt worden sei. Oder ob hier die gesamte Desi­gntheorie verpackt ist? Doch schon beim ersten Durch­blättern fällt auf: Das Buch ist klar gegliedert, die Themen sind gut miteinander verknüpft, die Sprache ist präzise, erklärt spezielle Begriffe oder Themen aus der psycho­lo­gischen Praxis. Geschrieben ist es ganz klar für die Gestaltung von Werbe­mitteln, was in einen Teil der Maga­zin­ge­staltung mit angrenzen könnte und beim Buch höchstens das Cover betrifft (wodurch sich das Cover viel­leicht noch weiter vom Inhalt entfernt als bisher).

Eigentlich sollte der Gestalter die Prin­zipien der Wirkung kennen und psycho­lo­gischen Erkennt­nissen folgen. Die Realität sieht aber oft anders aus. Das Design steht im Vordergrund und die Wirkung darf sein. Aber was wirkt wirklich gut? Hier sind wir sofort in einem Konfliktfeld, wo Behaup­tungen aus dem Marketing Design sogar verhindern können oder wo domi­nie­rendes Design am Ziel vorbei­s­chießt.

In diesem Buch bewegen wir uns bereits im Main­stream der Werbung, was nicht abwertend gemeint ist. Es gibt grau unterlegte Sätze im Buch. Sind das Kernsätze? Muss ich nur die lesen, um einen Überblick zu bekommen? Als Vielleser stören sie mich eher. Ein Traum wäre es, tatsächlich eine Verdichtung der Kapitel in einem oder wenigen Sätzen zu erreichen. Aber das funk­tioniert so nicht.

Die einzelnen Kapitel beschäftigen sich mit Grund­prin­zipien, Bild­wirkung, Themen­wirkung, Farb­wirkung, Formen und Form­prin­zipien, Ober­flächen, Stil­mitteln und einiges zur Entwicklung von Gestal­tungsideen. Es ist ein durch­gehend geschriebenes Fachbuch und ein Kompendium mit viel Wissen aus sonst verstreuten Bereichen. Als Nach­schla­gewerk eignet es sich aber nur, wenn man das ganze Buch schon ein wenig kennt.

Das schmale Kapitel über Typo­grafie ist leider dürftig und bleibt daher an der Ober­fläche. Wenn von Lesbarkeit die Rede ist, geht es mehr um das Entziffern von Über­schriften als um die Lesbarkeit von Texten. Die Autoren beschäftigen sich daher mehr mit allge­meinen und eher deko­rativen Aspekten der Schrift. Was Typo­grafie leisten kann, wird leider nicht thema­tisiert.

Zur Buch­ge­staltung: Das Layout folgt dem Gestal­tungs­prinzip des Verlages. An dieser Stelle sei angemerkt, dass sich der Rheinwerk Verlag (ehemals Galileo) nicht nur durch den Inhalt, sondern auch durch das Layout von anderen Compu­ter­büchern abhebt. Ein Großteil der anderen Compu­ter­bücher und die dazu­ge­hörigen Hand­bücher sahen eher grau­enhaft aus.

Ein einfaches, aber prak­tisches Seiten­prinzip, lange Zeit sogar nur mit einer Schriftart (Syntax) gesetzt, sofort als Galileo/Rheinwerk erkennbar. Doch heute stellt sich die Frage, ob das Layout-Prinzip nicht in allen Details von einer Typo­grafin oder einem Typo­grafen über­a­r­beitet werden sollte? Noch besser, noch erfolg­reicher?

Monika Heimann, Michael Schütz
Wie Design wirkt
Psycho­lo­gische Prin­zipien erfolg­reicher Gestaltung

632 Seiten
Sehr viele Abbil­dungen
Rheinwerk, Bonn 2017
ISBN 978–3–8362–3858–8
39,90 Euro

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