Psychologische Wirkung von Gestaltung
Ich war zunächst erschrocken über den gewaltigen Umfang des Buches und mutmaßte, ob das Thema schon vor der Zeit von Adam und Eva behandelt worden sei. Oder ob hier die gesamte Designtheorie verpackt ist? Doch schon beim ersten Durchblättern fällt auf: Das Buch ist klar gegliedert, die Themen sind gut miteinander verknüpft, die Sprache ist präzise, erklärt spezielle Begriffe oder Themen aus der psychologischen Praxis. Geschrieben ist es ganz klar für die Gestaltung von Werbemitteln, was in einen Teil der Magazingestaltung mit angrenzen könnte und beim Buch höchstens das Cover betrifft (wodurch sich das Cover vielleicht noch weiter vom Inhalt entfernt als bisher).
Eigentlich sollte der Gestalter die Prinzipien der Wirkung kennen und psychologischen Erkenntnissen folgen. Die Realität sieht aber oft anders aus. Das Design steht im Vordergrund und die Wirkung darf sein. Aber was wirkt wirklich gut? Hier sind wir sofort in einem Konfliktfeld, wo Behauptungen aus dem Marketing Design sogar verhindern können oder wo dominierendes Design am Ziel vorbeischießt.
In diesem Buch bewegen wir uns bereits im Mainstream der Werbung, was nicht abwertend gemeint ist. Es gibt grau unterlegte Sätze im Buch. Sind das Kernsätze? Muss ich nur die lesen, um einen Überblick zu bekommen? Als Vielleser stören sie mich eher. Ein Traum wäre es, tatsächlich eine Verdichtung der Kapitel in einem oder wenigen Sätzen zu erreichen. Aber das funktioniert so nicht.
Die einzelnen Kapitel beschäftigen sich mit Grundprinzipien, Bildwirkung, Themenwirkung, Farbwirkung, Formen und Formprinzipien, Oberflächen, Stilmitteln und einiges zur Entwicklung von Gestaltungsideen. Es ist ein durchgehend geschriebenes Fachbuch und ein Kompendium mit viel Wissen aus sonst verstreuten Bereichen. Als Nachschlagewerk eignet es sich aber nur, wenn man das ganze Buch schon ein wenig kennt.
Das schmale Kapitel über Typografie ist leider dürftig und bleibt daher an der Oberfläche. Wenn von Lesbarkeit die Rede ist, geht es mehr um das Entziffern von Überschriften als um die Lesbarkeit von Texten. Die Autoren beschäftigen sich daher mehr mit allgemeinen und eher dekorativen Aspekten der Schrift. Was Typografie leisten kann, wird leider nicht thematisiert.
Zur Buchgestaltung: Das Layout folgt dem Gestaltungsprinzip des Verlages. An dieser Stelle sei angemerkt, dass sich der Rheinwerk Verlag (ehemals Galileo) nicht nur durch den Inhalt, sondern auch durch das Layout von anderen Computerbüchern abhebt. Ein Großteil der anderen Computerbücher und die dazugehörigen Handbücher sahen eher grauenhaft aus.
Ein einfaches, aber praktisches Seitenprinzip, lange Zeit sogar nur mit einer Schriftart (Syntax) gesetzt, sofort als Galileo/Rheinwerk erkennbar. Doch heute stellt sich die Frage, ob das Layout-Prinzip nicht in allen Details von einer Typografin oder einem Typografen überarbeitet werden sollte? Noch besser, noch erfolgreicher?
Monika Heimann, Michael Schütz
Wie Design wirkt
Psychologische Prinzipien erfolgreicher Gestaltung
632 Seiten
Sehr viele Abbildungen
Rheinwerk, Bonn 2017
ISBN 978–3–8362–3858–8
39,90 Euro
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