typographische
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Die virtuelle Welt beschert uns keine Verdop­pelung der Welt, sondern eine Verkrüp­pelung der Wirk­lichkeit.
Kurt Weidemann

Typographische
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Event

artDate: Serviceplan – what a story!

Helga Schörnig
14. April 2025
Wofür die tgm steht? Wir wollen das Blickfeld weiten, die Sinne anregen, Staunen machen, Krea­tivität entdecken, mehr verstehen, uns von Schönheit über­wältigen lassen. Und uns auch mit Kunst den Staub von der Seele waschen, um es mit den Worten eines großen Malers zu sagen.
Das ist uns jetzt wieder einmal mit dem jüngsten artDate gelungen, beim Besuch der Corporate Collection von Serviceplan, Europas größter unab­hängiger, part­ner­ge­führter Krea­ti­v­agentur.

Es ist ein erhe­bendes Gefühl, die Eingangshalle der Serviceplan Group im Werks­viertel München zu betreten und sich auf einem der vielen oran­ge­fa­rbenen Sessel nieder­zu­lassen, um auf Dr. Peter Haller zu warten, der schon bald die große schwarze Treppe herun­ter­kommen wird, um uns zu begrüßen. In der Wartezeit betrachte ich die hoch­glän­zenden Spie­ge­lungen auf der Skulptur von Tony Cragg, die den Titel »Point of View« trägt. Egal aus welcher Richtung man die Skulptur betrachtet, neue Eindrücke ergeben sich auto­matisch, Spie­ge­lungen des Raumes werden sichtbar, ich selbst kann mich ebenso in dem Gebilde wieder­finden.

Wir sind zu Gast im House of Commu­ni­cation, dem Firmensitz der Werbe­agentur Serviceplan, die ebenso modernes Museum wie moderner Arbeitsplatz ist. Kunst ist dort Teil des Alltags: Über 250 Werke zeit­ge­nös­sischer Kunst – darunter Skulpturen, Gemälde, Grafiken, Reliefs und Collagen – aus der privaten Sammlung von Dr. Peter Haller und Florian Haller prägen die Atmo­sphäre und schaffen einen inspi­rie­renden Rahmen. Bevor wir die Kunstwerke selbst gezeigt bekommen, hören wir erst einmal die Story hinter der Corporate Collection. Ruhig und mit Bedacht beginnt Dr. Haller seinen Vortrag und erzählt unter anderem die Geschichten zu den Bildern, die wir später im Original bewundern werden. Er hat eine innige Beziehung zu seiner Sammlung, die aus Werken moderner Kunst ab 1945 besteht und immer noch weiter­wächst. Dr. Haller mit seiner klaren Haltung zu den Kunst­werken wirkt uner­müdlich, wenn er seine Begeis­terung mit uns teilt. Er legt großen Wert darauf, Bilder anzu­schaffen, die die jeweiligen Künstler:innen mit Qualität und in einzig­artiger Weise geschaffen haben; es geht ihm eben nicht um Masse. Nicht allein das Betrachten des Werkes schafft dafür Bewun­derung, sondern die Ausein­an­der­setzung mit der Story und dem Hinter­grund­wissen macht daraus jeweils ein Erlebnis.

artDate x Serviceplan

Nach seinem einlei­tenden Vortrag führt uns Dr. Haller persönlich durch die Sammlung und wir begeben uns zu den Werken von Georg Baselitz in der Eingangshalle. Das Porträt seiner Frau Elke Baselitz begeistert mich, und wir erfahren, dass die beiden seit 1962 verheiratet sind. Im ersten Stock erwartet uns ein scheinbar flie­gender Licht­teppich aus Buch­staben und Symbolen, die nicht auf den ersten Blick lesbar sind. Aber das soll uns vorerst nicht inter­es­sieren, denn dem Pink der Bilder von Rupprecht Geiger können wir uns nicht entziehen. Die Reihung zeigt die Zahlen von 1 bis 10 und sind Ende der 80er-Jahre entstanden.

Dr. Haller erzählt die Story hinter dem Werk von Anselm Kiefer

Werke von Anselm Kiefer ziehen uns magisch an, besonders, da die Bilder mit ihren vielen Schichten und aufge­brachten Gräsern sofort an etwas Vergäng­liches denken lassen und oft auch lange Zeit den Witte­rungs­ver­hält­nissen ausgesetzt wurden. Es ist ein großer Verdienst, dass Dr. Haller diese Bilder erwerben konnte, da Anselm Kiefer Wert darauflegt, dass seine Werke nicht in die Hände von Speku­lanten fallen, denen es nur um einen hohen Marktwert geht. In den Räumen von Serviceplan können die Werke jede Woche von ca. 2000 Mita­r­beiter:innen und Besucher:innen gesehen werden.

Im Mittelgang sind mehrere Skulpturen von Stephan Balkenhol platziert, seine Figuren, meist farbig bemalt, sind aus einem Holzblock geschnitzt und oft bleibt der Sockel aus Holz auch erhalten, gehört mit zum ausge­stellten Kunstwerk. In einem Bespre­chungs­zimmer sehen wir das Bild von Julian Opie »Lucia5.«, das durch seine einfache Lini­en­führung, einem Comic ähnlich, und flächiger Farbe und Größe besticht.

Dr. Haller und die Skulpturen von Stephan Balkenhol

Am Ende der Veran­staltung erfahren wir, dass der fliegende Licht­teppich aus Buch­staben und Symbolen vom büro uebele gestaltet wurde. Die Schrift Service wurde zusammen mit dem Schrift­ge­stalter Gabriel Richter eigens für Serviceplan entwickelt und ist nun die Haus­schrift. Sie befindet sich auch an den Wänden und wird als Orien­tie­rungs­system verwendet. Sie ist in Höhe und Breite flexibel und enthält für jeden Buch­staben vier alter­native Glyphen.

Wir sind begeistert und bedanken uns ganz herzlich bei Dr. Haller für die ausführliche Führung. Zum Abschluss darf sich jeder den Kunst­katalog Artper­formance mit nach Hause nehmen, der alle Werke der Sammlung und deren Stories enthält. Bei einem Abschluss­getränk an der Bar können wir die letzten Fragen klären und philo­so­phieren über die Schönheit des Raumes. What an artDate!

 

Weitere Infos zur Kunst­­­sammlung: https://www.house-of-commu­ni­cation.com/de/de/about-us/art-collection.html

Die artDates der tgm sind ein Format, bei dem unge­wöhnliche Einsichten ermöglicht werden: Besuche und Führungen durch besondere Samm­lungen, Museen, Ateliers, Corporate Collections, einschließlich inspi­rie­renden Begeg­nungen mit Künst­lerlnnen, Foto­grafen, Archi­tekten, Kuratoren. Gerne auch verbunden mit der Möglichkeit, sich hand­werklich auszu­pro­bieren und schon mal verbunden mit einem Tages­ausflug. Die artDates der tgm sind ein offenes Format: Jeder kann einen Vorschlag machen. Seit vielen Jahren umsichtig von Helga Schörnig kuratiert, kultiviert begleitet von Andreas S. Müller und neugierig ausge­graben von Thomas Schlierbach.

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