artDate im Double Feature
»Wer wir sind« und »Home Again«
Frau Melek Baylas, Kunsthistorikerin der The Walther Collection, begrüßt uns ganz herzlich an diesem Morgen im ersten, dem weißen Haus, einem lichtdurchfluteten Kubus, der das Hauptgebäude der Sammlung darstellt. Wir gehen ins Untergeschoss in den unerwartet großen Hauptraum und laufen auf ein riesiges Bild zu: »The Lost and Found Project« von Munemasa Takahashi.
Es handelt sich um eine gigantische Fotowand aus lauter gleich großen Fotos, doch können wir nur bedingt was erkennen, die Fotos sind verwaschen und arg beschädigt. Als der Tsunami 2011 in Japan eine unfassbare Zerstörung anrichtete, wurden bei den Aufräumarbeiten eine Vielzahl von Fotos und Alben angespült. Takahashi wollte den Menschen helfen und arbeitete bei der Organisation »Memory Salvage« mit. Tausende Bilder wurden von ihm abfotografiert und im Internet nach ihrem Fundort katalogisiert, sodass Menschen online nach ihren Fotos recherchieren konnten. Auf diesem Weg konnten mehr als 300 000 Bilder wieder an die Besitzer übergeben werden. Jene, die nicht zuzuordnen waren, sind jetzt auf dieser Fotowand zu sehen. (Ein aktueller Bezug: Opfer der verheerenden Feuer in Los Angeles beklagen den Verlust persönlicher Erinnerungen, vor allem den von Fotos.)
Die weiteren fotografischen Bilder im Raum beschäftigen sich mit dem Porträt im 19. und 20. Jahrhundert, gegliedert nach Familie, Arbeit, Freizeit, Typen und Kontrolle. Die Gruppenbilder der Familien, Ausdruck der Zusammengehörigkeit und für das Familienalbum ordentlich aufgelistet, gefallen mir besonders. Ebenso die Fotos der Handwerker, die sich mit ihren Arbeitsgeräten und Werkzeugen abbilden ließen.
Das Schwarze Haus, das wir als nächstes betreten, ist ein scheinbar normaler Bungalow, der nur durch seine äußere Farbe heraussticht. Im Keller pflegt Herr Walther zu wohnen, wenn er in Burlafingen ist. In diesen kleinen Räumen sehen wir Fotoalben und die erzählen bewegende Geschichten, auch wenn die Menschen, die wir sehen, nicht bekannt sind. Die Alben werden bei Auktionen oder einfach auf dem Flohmarkt erworben und geben Einblick in die Geschichte oder sind private Erinnerungen. Eine genaue Recherche, wer auf den Fotos gezeigt wird, ist schwierig und selten möglich.
Das Graue Haus ist das Elternhaus von Walther und die Bilder hängen in der ursprünglichen Wohnung im Parterre. Hier wird die Fotografie als Mittel zur Darstellung von Vorstellungen von Geschlecht und Sexualität des LGBTQIA-Spektrums gezeigt. Das Medium Fotografie scheint hier ein Freiraum, eine Bühne oder aber ein Safe Space für Menschen zu sein, von denen wir keine Informationen haben. Es macht auch hier neugierig mehr über die Geschichten und Erlebnisse zu erfahren.
Nach einer gemütlichen Mittagspause geht’s weiter im Stadthaus von Ulm, wo wir uns die Ausstellung »Home Again« ansehen. Sie zeigt Bilder von Migration, Zuhause und Erinnerung. Christoph Draxler stellt uns die einzelnen Arbeiten vor. Die 14 Künstler·innen zeigen emotionale und facettenreiche Arbeiten, die sich unter anderem um elementare Themen wie Klimaveränderung oder die Anpassungsfähigkeit der Menschen in ihrem neuen Zuhause beschäftigen. Besonders gut gefällt mir die Videoarbeit von Minna Rainio und Mark Roberts. Wir hören die finnische Nationalhymne, die von unterschiedlichen Menschen vorgetragen wird, die neu in Finnland eingebürgert wurden. Alle Protagonisten, ob Mann oder Frau entsprechen nicht unserem Bild von typischen Finnen – eine melodiöse Art, um über Vorurteile nachzudenken.
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