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Die Aufgabe des Künstlers ist es, Ruhe und Unruhe so zu mischen, dass nicht erstarrte Unruhe entsteht, sondern jene gespannte Ruhe, die zum Ausdruck des Lebens wird.
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Buchbesprechung

Zu Theorien der Illustration

Rudolf Paulus Gorbach
15. Juli 2023
Illus­tration und Typo­grafie – verwandte Themen, seit es den Buchdruck gibt. Zur Theorie der Illus­tration haben Juliane Wenzl und Ulrike Stoltz einen schön gestalteten und reich bebil­derten Aufsatzband heraus­gegeben.

Aufmerksam wurde ich auf dieses Buch durch einen Vortrag von Juliane Wenzl (Illus­tratorin, Gestalterin, Bild­wis­sen­schaftlerin) in Nürnberg beim Desi­gnverein, wo sie innerhalb einer Vortragsreihe einen Überblick über das Thema Illus­tration gab. In einem Beitrag im Buch beschreibt Julia Wenzl die Situation des Illus­trieren als visuelles Denken. Eine neue Bedeutung erlangt Illus­tration durch den Gegensatz einer »neuen Unzu­ver­läs­sigkeit«, wie sie durch digitale Medien oft entsteht. Das Interesse besonders an der Illus­tration im Buch hat offen­sichtlich zuge­nommen.

In diesem Buch stehen sich verschiedene Posi­tionen gegenüber, die sich immer auf das Buch beziehen. Allerdings haben die künst­le­rischen Aspekte ein gewisses Über­gewicht. Dennoch spielt die Typo­grafie in allen Über­le­gungen eine Rolle, steht sie doch der Illus­tration gegenüber oder ergänzt sie und umgekehrt.

Mit einem Blick zurück öffnet Stefan Soltek (Klingspor Museum, Offenbach) Aspekte des Illus­trierens im 20. Jahr­hundert. Er untersucht das Für und Wider des Bild­lichen zum Text­lichen, kommt auf illu­mi­nierte Hand­schriften zu sprechen und unwei­gerlich auch auf das heutige Künst­lerbuch in seiner typo­gra­fischen und buch­ge­stal­te­rischen Dimension. Das verdeutlicht auch Chri­s­topher Breu (Hegenbarth-Sammlung Berlin): »Denn in der Illus­tration kann der oder die Illus­trierende eine Vorstellung aus dem eigenen Inneren herauslösen und als Bild vor die Augen stellen und sich ins Verhältnis dazu setzen. Die Illus­tration behält die Bindung an das nicht zu sagen Gewagte und holt die Bild­pro­jektion zurück in die Vorstellung«.

Matthew Tyson (Künstler) wehrt sich gegen das Schmü­ckende und Illus­trierende, was er zwar nicht kleinreden will. Aber ihm kommt es offen­sichtlich auf die Kunst als Buch an. Aber Illus­tration bedeutet viel­leicht doch mehr. Gibt es eine Gleichheit zwischen Illus­tration und Text? Eindrü­cklich fasst das Ulrike Stoltz (Typo­grafin, Künstlerin) zusammen, die als Typo­grafin »… ständig hin und her wechsle zwischen dem, was da inhaltlich steht als Text, und dem, wie ist dasteht, also der Schrift­bild­lichkeit, die in der allge­meinen Wahr­nehmung häufig übersehen wird, weil man eben auf den Text konzen­triert ist«.

Ist Illus­tration ein »dienendes Substitut«? Franziska Walther (Desi­gnerin, Illus­tratorin) betont das »sichtbar werden und Haltung zeigen«. Illus­tration ist nicht nur ein Abbild  Eine neue Sichtweise auf Abbilden, Ergänzen und Aneignen wird vorge­schlagen.

Ulrike Stoltz erklärt »Schrift­bild­lichkeit aus der Perspektive des typo­grafisch Normalen« und betont das Janus­gesicht der Schrift als Text und Bild. Dabei wird gerade das bildliche der Schrift meistens nicht wahr­ge­nommen. Typo­gra­fische Perspektiven werden in diesem kurzen, aber eindring­lichen Beitrag erläutert, vor allem in der Sicht auf Bücher.

Über die Hybridität der Illus­tration schreibt der Kunst­his­toriker Johannes Rößler. Text­inhalt und künst­le­rische Tradition verbinden sich zu einem »neuen Form-Inhalt-Verhältnis«. Die Eigen­stän­digkeit der Illus­tration gegenüber anderen bildenden Künsten beruht auf ihrem »künst­lerisch erheb­lichen Aufwand bei der Bild­genese«. »Auf den ersten Blick will die Illus­tration Präsenz, Prägnanz und Verständ­lichkeit erzeugen, Inhalte visuell trans­por­tieren. Bei näherer Betrachtung entpuppt sie sich jedoch als fragiles Medium, das den Betrachter hinter der scheinbaren Ober­fläche zum Nach­denken anregt. In dieser doppelten Spannung liegt der kreative Anspruch der Illus­tration – sowohl für den Autor als auch für den Betrachter«.

Text­inhalt und künst­le­rische Tradition verbinden sich zu einem »neuen Form-Inhalt-Verhältnis«. Die Eigen­stän­digkeit der Illus­tration gegenüber anderen bildenden Künsten beruht auf ihrem »künst­lerisch erheb­lichen Aufwand bei der Bild­genese«. »Auf den ersten Blick will die Illus­tration Präsenz, Prägnanz und Verständ­lichkeit erzeugen, Inhalte visuell trans­por­tieren. Bei näherer Betrachtung entpuppt sie sich jedoch als fragiles Medium, das den Betrachter hinter der scheinbaren Ober­fläche zum Nach­denken anregt. In dieser doppelten Spannung liegt der kreative Anspruch der Illus­tration – sowohl für den Autor als auch für den Betrachter«.

Die Theorie steckt im Bereich der Illus­tration noch in den Kinder­schuhen. Das scheint sich zu ändern. Das Fach der inter­dis­zi­plinären Bild­wis­sen­schaft, das es erst seit 2001 gibt, könnte dabei helfen. Und nicht zu vergessen: Dieses Buch zeigt eine enorme Fülle unter­schied­lichster Illus­tra­ti­ons­bei­spiele!

Die Doppel­seiten aus dem Buch:
Juliane Wenzl: Aus der Serie »Dazwischen«; Uta Schneider / Ulrike Stoltz: Das Bilde dr Buch­staben.
Text­seiten; Nanna Meyer: Buch VI.
Text­seiten über eine Diskussion; Matthew Tyson: Quatour.

Juliane Wenzl, Ulrike Stoltz (Hg.)
SuperILLU
Zu einer Theorie der Illus­tration
252 Seiten
Klap­pen­broschur
Jonas Verlag, Weimar 2022
ISBN 978–3–89445–593–4

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