Zu Theorien der Illustration
Aufmerksam wurde ich auf dieses Buch durch einen Vortrag von Juliane Wenzl (Illustratorin, Gestalterin, Bildwissenschaftlerin) in Nürnberg beim Designverein, wo sie innerhalb einer Vortragsreihe einen Überblick über das Thema Illustration gab. In einem Beitrag im Buch beschreibt Julia Wenzl die Situation des Illustrieren als visuelles Denken. Eine neue Bedeutung erlangt Illustration durch den Gegensatz einer »neuen Unzuverlässigkeit«, wie sie durch digitale Medien oft entsteht. Das Interesse besonders an der Illustration im Buch hat offensichtlich zugenommen.
In diesem Buch stehen sich verschiedene Positionen gegenüber, die sich immer auf das Buch beziehen. Allerdings haben die künstlerischen Aspekte ein gewisses Übergewicht. Dennoch spielt die Typografie in allen Überlegungen eine Rolle, steht sie doch der Illustration gegenüber oder ergänzt sie und umgekehrt.
Mit einem Blick zurück öffnet Stefan Soltek (Klingspor Museum, Offenbach) Aspekte des Illustrierens im 20. Jahrhundert. Er untersucht das Für und Wider des Bildlichen zum Textlichen, kommt auf illuminierte Handschriften zu sprechen und unweigerlich auch auf das heutige Künstlerbuch in seiner typografischen und buchgestalterischen Dimension. Das verdeutlicht auch Christopher Breu (Hegenbarth-Sammlung Berlin): »Denn in der Illustration kann der oder die Illustrierende eine Vorstellung aus dem eigenen Inneren herauslösen und als Bild vor die Augen stellen und sich ins Verhältnis dazu setzen. Die Illustration behält die Bindung an das nicht zu sagen Gewagte und holt die Bildprojektion zurück in die Vorstellung«.
Matthew Tyson (Künstler) wehrt sich gegen das Schmückende und Illustrierende, was er zwar nicht kleinreden will. Aber ihm kommt es offensichtlich auf die Kunst als Buch an. Aber Illustration bedeutet vielleicht doch mehr. Gibt es eine Gleichheit zwischen Illustration und Text? Eindrücklich fasst das Ulrike Stoltz (Typografin, Künstlerin) zusammen, die als Typografin »… ständig hin und her wechsle zwischen dem, was da inhaltlich steht als Text, und dem, wie ist dasteht, also der Schriftbildlichkeit, die in der allgemeinen Wahrnehmung häufig übersehen wird, weil man eben auf den Text konzentriert ist«.
Ist Illustration ein »dienendes Substitut«? Franziska Walther (Designerin, Illustratorin) betont das »sichtbar werden und Haltung zeigen«. Illustration ist nicht nur ein Abbild Eine neue Sichtweise auf Abbilden, Ergänzen und Aneignen wird vorgeschlagen.
Ulrike Stoltz erklärt »Schriftbildlichkeit aus der Perspektive des typografisch Normalen« und betont das Janusgesicht der Schrift als Text und Bild. Dabei wird gerade das bildliche der Schrift meistens nicht wahrgenommen. Typografische Perspektiven werden in diesem kurzen, aber eindringlichen Beitrag erläutert, vor allem in der Sicht auf Bücher.
Über die Hybridität der Illustration schreibt der Kunsthistoriker Johannes Rößler. Textinhalt und künstlerische Tradition verbinden sich zu einem »neuen Form-Inhalt-Verhältnis«. Die Eigenständigkeit der Illustration gegenüber anderen bildenden Künsten beruht auf ihrem »künstlerisch erheblichen Aufwand bei der Bildgenese«. »Auf den ersten Blick will die Illustration Präsenz, Prägnanz und Verständlichkeit erzeugen, Inhalte visuell transportieren. Bei näherer Betrachtung entpuppt sie sich jedoch als fragiles Medium, das den Betrachter hinter der scheinbaren Oberfläche zum Nachdenken anregt. In dieser doppelten Spannung liegt der kreative Anspruch der Illustration – sowohl für den Autor als auch für den Betrachter«.
Textinhalt und künstlerische Tradition verbinden sich zu einem »neuen Form-Inhalt-Verhältnis«. Die Eigenständigkeit der Illustration gegenüber anderen bildenden Künsten beruht auf ihrem »künstlerisch erheblichen Aufwand bei der Bildgenese«. »Auf den ersten Blick will die Illustration Präsenz, Prägnanz und Verständlichkeit erzeugen, Inhalte visuell transportieren. Bei näherer Betrachtung entpuppt sie sich jedoch als fragiles Medium, das den Betrachter hinter der scheinbaren Oberfläche zum Nachdenken anregt. In dieser doppelten Spannung liegt der kreative Anspruch der Illustration – sowohl für den Autor als auch für den Betrachter«.
Die Theorie steckt im Bereich der Illustration noch in den Kinderschuhen. Das scheint sich zu ändern. Das Fach der interdisziplinären Bildwissenschaft, das es erst seit 2001 gibt, könnte dabei helfen. Und nicht zu vergessen: Dieses Buch zeigt eine enorme Fülle unterschiedlichster Illustrationsbeispiele!
Die Doppelseiten aus dem Buch:
Juliane Wenzl: Aus der Serie »Dazwischen«; Uta Schneider / Ulrike Stoltz: Das Bilde dr Buchstaben.
Textseiten; Nanna Meyer: Buch VI.
Textseiten über eine Diskussion; Matthew Tyson: Quatour.
Juliane Wenzl, Ulrike Stoltz (Hg.)
SuperILLU
Zu einer Theorie der Illustration
252 Seiten
Klappenbroschur
Jonas Verlag, Weimar 2022
ISBN 978–3–89445–593–4
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