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Die Typo­graphie ist die Rhetorik der Schrift.
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Revue über die Tÿpo St. Gallen 2021

Rudolf Paulus Gorbach
30. November 2021
Das Thema 2021 »Intuition« kann für Gestalter verfüh­rerisch sein. Denn was versteht man darunter? Geht es um eine jähe oder auch lang­samere Eingebung? Oder hat sich das, was wir wissen, gelernt und geübt haben, im Unter­be­wussten zu einer These oder Meinung entwickelt?
Key Visaul der Typo St. Gallen 2021
Die Tÿpo St. Gallen 2021 fand vom 5. bis 7. November wie immer in der GBS Schule für Gestaltung statt.

Das war auch das Leitmotiv des Schweizer Musikers Rudolf Lutz, der über Impro­vi­sation sprach. Und alles, worüber er sprach und dies auch am Klavier spielte, ist auch im visuellen Bereich gültig: Tonart, Intervall, Klang, Laut­stärke, Harmonie. Eine wunderbare Einstimmung für eine Tagung über Typo­grafie.

Bewegte Typo­grafie

Wie oft nervt uns die Bewegung in der Typo­grafie! Doch es muss eben nicht blinken und flimmern sein. Es geht auch anders. Das zeigte Josh Schaub einfach, klar und sehr witzig. Die Zukunft des Plakats liegt in der Bewegung und Animation. Durch sie, so Schaub, können Botschaften versteckt werden. Bei Info­grafiken wichtige Vorgänge verdeutlicht und schnell begreifbar gemacht werden. Man kann mit der Lesbarkeit sogar mehr spielen als im Print! Gleich­zeitig beharrte Schaub darauf, lieber nicht etwas neues erfinden, sondern das nützen, was schon da ist.

Schrift gestalten ist heute längst ein wichtiger Teil einer Typo­grafie-Tagung. Sehr unter­schiedlich konnte man das in Sankt Gallen erleben. Wunderbar wie einer der Meister der ersten Stunde der digitalen Gestaltung, Just van Rossum, spie­lerisch und elegant aus seiner Kariere berichtete. Das gelingt nicht immer. Das Frau­en­quartett Büro Klass aus Hamburg sprach im Team emotional mit viel erdachtem Hintergrund und zeigte qualitativ sehr unter­schiedliche Arbeiten.

Intuition ist ein ambu­lantes »Gschwerl«.

Andreas Koop folgte seinem Auftrag, über Intuition zu sprechen, obwohl er kein Experte sei. Sein Titel »Zwischen Usability und Esoterik« bezog sich auf eigene Erfah­rungen. Er gestand: »Je mehr ich über Intuition nachdenke, desto weniger ist sie mir greifbar. Erkenntnis Eins lautet also: Intuition ist ein ambu­lantes ›Gschwerl‹. Und eine elende Diva!«. Und weiter erfuhr man viel Amüsantes und Wunderbar-ironisches aus Koops Biografie und seiner Sicht auf Design im Ganzen. Es folgten dann doch recht tiefe Einsichten. »Auf den ersten Blick würde man Intuition viel­leicht als gar nicht so über-relevant im Design vermuten. … Und doch kennt jede und jeder das, wenn sich im Entwurfs­prozess auf einmal Dinge fügen, sich eine Stim­migkeit entwickelt und Schlüs­sigkeit entsteht – wahrlich, Licht­blicke sind das!«, so Andreas Koop. Er zeigte und kommen­tierte Arbeiten, die er selbst mit dem Begriff »Intuition« verband. Das geschah bisweilen spöttisch, auch im Bezug auf die gesamte Desi­g­nerszene.

Auf der Tÿpo Sankt Gallen gibt es immer auch eine Buch­vor­stellung. Diesmal war das die »Geschichte und Form der latei­nischen Schrift« von Hans Eduard Meier, dem Schöpfer der »Syntax«. Rudolf Barmettler und Roland Stieger hatten das berühmte Buch aktu­a­lisiert und erweitert durch das sehr dicht geschriebene, äußerst infor­mative Essay »Schreiben, drucken, tippen« von Rupert Kalkofen.

Archi­tek­tur­führung mit Ulrich Vogt

Am zweiten Tÿpo-Tag wurden zehn je zwei­stündige Workshops angeboten. Die Wahl fiel schwer. Ich entschied mich für die Führung »Das Schöne im Häss­lichen« von Ulrich Vogt durch das Haus der Schule für Gestaltung. Der Kurator des Grubenmann Museums im Zeughaus Teufen bot eine Baube­gehung an. Es wurde über Nütz­liches, Funk­ti­o­nelles, Gräss­liches oder nur Häss­liches diskutiert. Vogt betonte dabei immer wieder die Offenheit und die Vermeidung von Wertung. Und mich erfreute, wie kompetent und offen man mit dem Thema umging.

Den Abschluss der Tagung bildeten ein Vortrag und die Ausstel­lungs­ver­nisage zu den schönsten Büchern aus Deut­schland, Österreich, der Schweiz und den Nieder­landen. Eigentlich eine wunderbare Gele­genheit, die diversen — nicht frei vom Zeitgeist — Arbeiten zu sehen. Ich entschied mich aber für die Alter­native: die Ausstellung in der Galerie und dem Verlag »Erker«, der sich seit 1958 mit Expres­sio­nismus und der klas­sischen Moderne beschäftigt.

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