KI frisst Daten – jetzt handeln

Ab Ende Mai beginnt Meta – also der Konzern hinter Facebook, Instagram, WhatsApp und Threads – damit, öffentliche Inhalte europäischer Nutzer:innen für das Training seiner KI-Systeme zu verwenden. Betroffen sind nicht nur neue, sondern auch längst vergessene Beiträge und Fotos. Die Zustimmung gilt automatisch als erteilt – es sei denn, Sie legen Widerspruch ein.
Auch andere Plattformen betroffen
Auch eBay füttert seit April 2025 seine KI-Systeme mit Ihren Suchanfragen, Geboten und Bewertungen. Die rechtliche Grundlage nennt sich »berechtigtes Interesse« – eine elegante Umschreibung für »wir tun es einfach«.
Google geht noch weiter und speist bereits Ihre Suchverläufe, App-Nutzungsdaten und Sprachaufzeichnungen in die Gemini-Plattform ein. Auch hier müssen Sie aktiv widersprechen, sonst werden Ihre Daten ohne weiteres Nachfragen verwendet.
Allen gemeinsam ist das Prinzip: Die Einwilligung ist voreingestellt. Wer nicht aktiv widerspricht, macht automatisch mit – dauerhaft, oft unwissentlich.
Was ist das Problem?
KI braucht Daten, viele Daten. Doch die automatische Verwertung persönlicher und kreativer Inhalte wirft grundlegende Probleme auf.
Was einmal in ein KI-Modell eingeflossen ist, lässt sich nachträglich nicht mehr entfernen. Selbst ein späterer Widerspruch kommt zu spät – die Daten bleiben Teil des Systems.
Besonders betroffen sind Kreativschaffende: Illustrator:innen, Fotograf:innen, Autor:innen und Designer:innen sehen ihre Werke – oft die Grundlage ihrer wirtschaftlichen Existenz – ohne ausdrückliche Erlaubnis in KI-Systemen verschwinden. Diese können später ähnliche Inhalte in Sekundenschnelle generieren und damit den Wert der Originale potenziell unterhöhlen. Das traditionelle Urheberrecht wird somit ausgehebelt. Während das direkte Kopieren eines Werkes klar reguliert ist, bleibt die massenhafte Verwendung zum Training einer KI, die dann »im Stil von« produziert, rechtlich umstritten.
Dieses Vorgehen berührt den Kern digitaler und kreativer Selbstbestimmung. Wer mit intelligenten Systemen interagiert oder kreativ tätig ist, sollte kontrollieren können, ob und wie die eigenen Werke und Daten verwendet werden.
Wer kontrolliert die Infrastruktur?
Die Frage ist nicht neu. In der digitalen Geschichte ging es immer wieder darum, wer Standards setzt – und damit Realität prägt.
Bleisatz gegen Fotosatz (1950er–70er): Mechanik verliert gegen Optik
PostScript gegen TrueType (1980er–90er): Schrift als Machtfrage
Browser-Wars (1990er): Vorinstallation ersetzt Wettbewerb
Search-Engine-Wars (2000er): Wer sucht, findet – bei Google
Social-Wars (2010–2020): Wer die Meinungen versammelt, gestaltet die Welt
Cloud-Wars (seit 2010): Wer die Infrastruktur besitzt, besitzt die Zukunft
KI-Wars (seit 2023): OpenAI, Google, Meta – wer das Denken trainiert, gestaltet die Welt
Alternative Wege sind möglich
Die Typographische Gesellschaft München widmete 2024 eine ganzjährige Vortragsreihe dem Thema KI. Dabei wurde deutlich: Die Technologie selbst bietet faszinierende Möglichkeiten. Problematisch wird sie erst durch mangelnde Transparenz bei Herkunft und Verwendung der Trainingsdaten.
Deshalb setzen wir bei der tgm wo möglich auf digitale Verantwortung. Unsere Website verzichtet auf unnötige Datenerhebung – und deshalb auch auf einen Cookie-Banner. Wir sammeln nicht, was wir nicht brauchen.
Auch die von uns mitgegründetet Mastodon-Instanz typo.social entstand aus diesem Grund. Wir wollten eine Social-Media-Plattform, ohne Datenökonomie im Hintergrund – sondern ein Angebot für echten Austausch.
So bewahren Sie Ihre digitale Autonomie
Wenn Sie nicht möchten, dass Ihre Inhalte zum KI-Training verwendet werden, sollten Sie jetzt aktiv werden:
Bei Meta: Der Widerspruch ist direkt über Ihr Instagram-Konto, Facebook-Konto oder Meta-Konto möglich. In der Instagram-App navigieren Sie in den Einstellungen (drei Striche oben rechts) zu »Info > Datenschutzrichtlinie«, tippen auf die Lupe und suchen nach »Widerspruchsrecht« oder »Widersprechen«. In Facebook finden Sie den entsprechenden Bereich unter »Einstellungen > Privatsphäre > Einstellungen > Datenschutzrichtlinie« – auch hier nach »Widerspruchsrecht« oder »Widersprechen« suchen.
WhatsApp ist ein Sonderfall. Private Chats werden laut Meta nicht für das KI-Training verwendet. Direkte Interaktionen mit dem Meta-AI-Chatbot (dem »blauen Kreis«) sind jedoch nicht verschlüsselt und werden laut Meta ausgewertet – aber natürlich nur, wenn Sie diese Funktion auch aktiv nutzen. WhatsApp bietet daher keine Option zum Widerspruch.
Bei Google: Deaktivieren Sie in Ihrem Google-Konto die »Gemini Apps Activity« und löschen Sie bereits gespeicherte Aktivitäten.
Bei eBay: Gehen Sie in Ihre AI-Einstellugnen, oder unter »Mein eBay > eBay-Konto > Einstellungen für KI-Training«. Der Widerspruch ist zwar auch nach dem 21. April noch möglich, gilt aber nicht rückwirkend. Bereits genutzte Daten können nicht mehr entfernt werden.
Für Kreative wichtig: Prüfen Sie Ihre Veröffentlichungsplattformen und deren AGB. Bilddatenbanken, Portfolio-Seiten und Content-Plattformen könnten ihre Nutzungsbedingungen ebenfalls stillschweigend für KI-Training geöffnet haben.
Alternativen nutzen: Plattformen wie typo.social, die Ihre Daten nicht verwerten. Weitere europäische Alternativen belieber US-Techkonzerne finden Sie u.a. hier in der Süddeutschen Zeitung – es wäre schön, wenn noch viel mehr Deutsche Verantwortung übernehmen würden.
Die Entscheidung liegt bei Ihnen
Künstliche Intelligenz an sich ist vielleicht kein Problem. Aber ein Weltkonzern, der sich ungefragt an Ihren Inhalten bedient und damit potenziell die Grundlage kreativer Arbeit untergräbt, ist eines. Es geht nicht um Technikverweigerung, sondern um digitale Selbstbestimmung und den Schutz geistigen Eigentums – in einer Zeit, in der Kreativität zunehmend algorithmisch reproduziert wird.
Hinweis der Redaktion (23.05.2025): Eine frühere Version dieses Textes ließ offen, wie WhatsApp-Daten im Zusammenhang mit dem KI-Training von Meta verwendet werden. Auf einen Leserhinweis hin haben wir den Abschnitt zu Meta um den Hinweis ergänzt: »WhatsApp ist ein Sonderfall …«.
Zudem haben wir die Anleitung zum Widerspruch bei Instagram etwas präzisiert.
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