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Mit Schrift muss man mehr machen können als nur lesen.
Sascha Lobe, Vortrag vor der tgm am 17.7.2018

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Branche

KI frisst Daten – jetzt handeln

Michi Bundscherer
19. Mai 2025
Ab dem 27. Mai 2025 verwendet Meta Ihre Beiträge, Fotos und Kommentare für KI-Training – ohne aktive Zustimmung. Nur wer wider­spricht, bleibt außen vor. Auch ältere Inhalte werden genutzt. Wir infor­mieren und zeigen wie der Wider­spruch geht.
KI greift auf Social-Media-Datein zu

Ab Ende Mai beginnt Meta – also der Konzern hinter Facebook, Instagram, WhatsApp und Threads – damit, öffentliche Inhalte euro­pä­ischer Nutzer:innen für das Training seiner KI-Systeme zu verwenden. Betroffen sind nicht nur neue, sondern auch längst vergessene Beiträge und Fotos. Die Zustimmung gilt auto­matisch als erteilt – es sei denn, Sie legen Wider­spruch ein.

Auch andere Platt­formen betroffen

Auch eBay füttert seit April 2025 seine KI-Systeme mit Ihren Such­an­fragen, Geboten und Bewer­tungen. Die rechtliche Grundlage nennt sich »berech­tigtes Interesse« – eine elegante Umschreibung für »wir tun es einfach«.

Google geht noch weiter und speist bereits Ihre Such­verläufe, App-Nutzungsdaten und Sprach­auf­zeich­nungen in die Gemini-Plattform ein. Auch hier müssen Sie aktiv wider­sprechen, sonst werden Ihre Daten ohne weiteres Nach­fragen verwendet.

Allen gemeinsam ist das Prinzip: Die Einwil­ligung ist vorein­ge­stellt. Wer nicht aktiv wider­spricht, macht auto­matisch mit – dauerhaft, oft unwis­sentlich.

Was ist das Problem?

KI braucht Daten, viele Daten. Doch die auto­ma­tische Verwertung persön­licher und kreativer Inhalte wirft grund­legende Probleme auf.

Was einmal in ein KI-Modell einge­flossen ist, lässt sich nach­träglich nicht mehr entfernen. Selbst ein späterer Wider­spruch kommt zu spät – die Daten bleiben Teil des Systems.

Besonders betroffen sind Krea­tiv­schaffende: Illus­trator:innen, Fotograf:innen, Autor:innen und Designer:innen sehen ihre Werke – oft die Grundlage ihrer wirt­schaft­lichen Existenz – ohne ausdrü­ckliche Erlaubnis in KI-Systemen verschwinden. Diese können später ähnliche Inhalte in Sekun­den­schnelle gene­rieren und damit den Wert der Originale potenziell unter­höhlen. Das tradi­ti­onelle Urhe­berrecht wird somit ausge­hebelt. Während das direkte Kopieren eines Werkes klar reguliert ist, bleibt die massenhafte Verwendung zum Training einer KI, die dann »im Stil von« produziert, rechtlich umstritten.

Dieses Vorgehen berührt den Kern digitaler und kreativer Selbst­be­stimmung. Wer mit intel­li­genten Systemen inter­agiert oder kreativ tätig ist, sollte kontrol­lieren können, ob und wie die eigenen Werke und Daten verwendet werden.

Wer kontrolliert die Infra­s­truktur?

Die Frage ist nicht neu. In der digitalen Geschichte ging es immer wieder darum, wer Standards setzt – und damit Realität prägt.

  • Bleisatz gegen Fotosatz (1950er–70er): Mechanik verliert gegen Optik

  • Post­Script gegen TrueType (1980er–90er): Schrift als Machtfrage

  • Browser-Wars (1990er): Vorin­stal­lation ersetzt Wett­bewerb

  • Search-Engine-Wars (2000er): Wer sucht, findet – bei Google

  • Social-Wars (2010–2020): Wer die Meinungen versammelt, gestaltet die Welt

  • Cloud-Wars (seit 2010): Wer die Infra­s­truktur besitzt, besitzt die Zukunft

  • KI-Wars (seit 2023): OpenAI, Google, Meta – wer das Denken trainiert, gestaltet die Welt

Alter­native Wege sind möglich

Die Typo­gra­phische Gesell­schaft München widmete 2024 eine ganz­jährige Vortragsreihe dem Thema KI. Dabei wurde deutlich: Die Tech­nologie selbst bietet faszi­nierende Möglich­keiten. Proble­matisch wird sie erst durch mangelnde Trans­parenz bei Herkunft und Verwendung der Trai­ningsdaten.

Deshalb setzen wir bei der tgm wo möglich auf digitale Verant­wortung. Unsere Website verzichtet auf unnötige Date­n­er­hebung – und deshalb auch auf einen Cookie-Banner. Wir sammeln nicht, was wir nicht brauchen.

Auch die von uns mitge­gründetet Mastodon-Instanz typo.social entstand aus diesem Grund. Wir wollten eine Social-Media-Plattform, ohne Daten­ökonomie im Hintergrund – sondern ein Angebot für echten Austausch.

So bewahren Sie Ihre digitale Autonomie

Wenn Sie nicht möchten, dass Ihre Inhalte zum KI-Training verwendet werden, sollten Sie jetzt aktiv werden:

Bei Meta: Der Wider­spruch ist direkt über Ihr Instagram-Konto, Facebook-Konto oder Meta-Konto möglich. In der Instagram-App navi­gieren Sie in den Einstel­lungen (drei Striche oben rechts) zu »Info > Daten­schutz­richtlinie«, tippen auf die Lupe und suchen nach »Wider­spruchsrecht« oder »Wider­sprechen«. In Facebook finden Sie den entspre­chenden Bereich unter »Einstel­lungen > Privat­sphäre > Einstel­lungen > Daten­schutz­richtlinie« – auch hier nach »Wider­spruchsrecht« oder »Wider­sprechen« suchen.

WhatsApp ist ein Sonderfall. Private Chats werden laut Meta nicht für das KI-Training verwendet. Direkte Inter­ak­tionen mit dem Meta-AI-Chatbot (dem »blauen Kreis«) sind jedoch nicht verschlüsselt und werden laut Meta ausge­wertet – aber natürlich nur, wenn Sie diese Funktion auch aktiv nutzen. WhatsApp bietet daher keine Option zum Wider­spruch.

Bei Google: Deak­ti­vieren Sie in Ihrem Google-Konto die »Gemini Apps Activity« und löschen Sie bereits gespei­cherte Akti­vitäten.

Bei eBay: Gehen Sie in Ihre AI-Einstel­lugnen, oder unter »Mein eBay > eBay-Konto > Einstel­lungen für KI-Training«. Der Wider­spruch ist zwar auch nach dem 21. April noch möglich, gilt aber nicht rück­wirkend. Bereits genutzte Daten können nicht mehr entfernt werden.

Für Kreative wichtig: Prüfen Sie Ihre Veröf­fent­li­chungs­platt­formen und deren AGB. Bild­da­ten­banken, Portfolio-Seiten und Content-Platt­formen könnten ihre Nutzungs­be­din­gungen ebenfalls still­schweigend für KI-Training geöffnet haben.

Alter­nativen nutzen: Platt­formen wie typo.social, die Ihre Daten nicht verwerten. Weitere euro­päische Alter­nativen belieber US-Tech­konzerne finden Sie u.a. hier in der Süddeutschen Zeitung – es wäre schön, wenn noch viel mehr Deutsche Verant­wortung über­nehmen würden.

Die Entscheidung liegt bei Ihnen

Künstliche Intel­ligenz an sich ist viel­leicht kein Problem. Aber ein Welt­konzern, der sich ungefragt an Ihren Inhalten bedient und damit potenziell die Grundlage kreativer Arbeit untergräbt, ist eines. Es geht nicht um Tech­nik­ver­wei­gerung, sondern um digitale Selbst­be­stimmung und den Schutz geistigen Eigentums – in einer Zeit, in der Krea­tivität zunehmend algo­rithmisch repro­duziert wird.

Hinweis der Redaktion (23.05.2025): Eine frühere Version dieses Textes ließ offen, wie WhatsApp-Daten im Zusam­menhang mit dem KI-Training von Meta verwendet werden. Auf einen Leser­hinweis hin haben wir den Abschnitt zu Meta um den Hinweis ergänzt: »WhatsApp ist ein Sonderfall …«.
Zudem haben wir die Anleitung zum Wider­spruch bei Instagram etwas präzisiert.

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