Jüdische Bücherschätze
Diese Jahrhunderte sind in der Bayerischen Staatsbibliothek gegenwärtig, die eine umfangreiche Sammlung von Hebraica besitzt. Der Grundstock der Sammlung geht auf das Jahr 1558 zurück und umfasste schon damals sehr bedeutende Handschriften. Über die Sammlung jiddischer Drucke berichtete bereits Hans-Joachim Koppitz in »Aus dem Antiquariat« 2007 auf Seite 311.
Elijahu haLewis’ Werk ist umfangreich vertreten. Beispielsweise finden wir das in Pesaro 1508 erschienene Werk »Mahalach schevilei hada’at« (der Gang der Gedankenpfade), eine hebräische Grammatik, deren schöner Satz uns (wie bei so vielen Werken) als Abbildung entgegenleuchtet. Die Kapiteleinteilung des Buches folgt den inhaltlichen Gruppen der Bücher. Natürlich widmet Tamari ein wichtiges Kapitel der jüdischen Bibel und ihren Kommentaren. Dabei ist die älteste Bibelhandschrift aus Pergament im Besitz der Bayerischen Staatsbibliothek und begeistert mich in ihrer dreispaltigen Textanlage.
Daniel Bombergs vollständige Bibelausgaben werden betrachtet, die umrahmenden traditionellen Kommentare zeigen ein anspruchsvolles und komplizierteres Satzbild (Ausgabe 1546), das von Tamari in den Bildlegenden akribisch beschrieben wird. Und immer wird neben der Erläuterung der Inhalte auch die Geschichte der Technik des Schreibens, Druckens und Bindens erwähnt, und die Wichtigkeit von Verlegern und Druckern (was ja oft in einer Hand lag) kommt nicht zu kurz.
Das nicht ganz einfache Buchsystem von Mischna und Talmud, Midrasch und Aggada und deren Quellen werden von Tamari anhand eines beschriebenen »Kugelbildes« plausibel dargestellt. Die besprochenen und abgebildeten Beispiele reichen vom »Cod. hebr. 95«, einem seltenen monumentalen Kodex, da der ganze Talmud wie sonst in dieser Zeit nicht üblich (1342 abgeschlossen) in einem Band vereint wurde. Nicht zu vergessen ist auch, dass Ausgaben aus dem 19. und 20. Jahrhundert genauso präsent sind, ja durch ihre Typografie keineswegs gegenüber den großen Ahnen abfallen.
Unter den jüdischen Gebetbüchern fällt ein aschkenasischer Machsor auf, ein kalligraphisches Meisterwerk, dessen offenes Schriftbild auch die Hebräisch Unkundigen fasziniert.
Aber auch Unterhaltungs- und Belehrungsliteratur für Weniggebildete, Ethik und Mystik, aschkenasische Traditionen und Bräuche, Haggada-Handschriften und die offensichtlich für das frühere Judentum problematischen Bücher zu Mathematik, Naturwissenschaften und Medizin werden in eigenen Kapiteln dargestellt.
Schließlich gibt Tamari noch einen Überblick über die Hebräisch-schriftliche Dichtung, von der biblischen Periode bis zur rebellischen modernen Dichtung in freiem unregelmäßigem Rhythmus des 20. Jahrhunderts. Selbstverständlich sind ausführliche (und nützliche) Register und ein wichtiges Glossar enthalten.
Typografie und Gestaltung des Buches sind dem Inhalt entsprechend zurückhaltend und hervorragend angewandt. Druck und Reproduktion der Bilder kann man als exzellent bezeichnen und liegt sicher auch am fachlichen Engagement des Autors. Lediglich die umfangreichen und gut informierenden Bildlegenden – aus der mageren und schmalen Maxima gesetzt – sind bei Kunstlicht etwas schwieriger zu lesen. Trotzdem – ein wunderschönes, sorgfältig konzipiertes, geschriebenes und gestaltetes Buch.
Studien zur Jüdischen Geschichte und Kultur in Bayern, Band 8. Ittai J. Tamari:
Das Volk der Bücher.
Eine Bücherreise durch sechs Jahrhunderte jüdischen Lebens.
Herausgegeben von Michael Brenner und Andreas Heusler.
Oldenbourg Wissenschaftsverlag München, 2012.
208 S., 125 Abbildungen, farbig, Leinen gebunden.
ISBN 978–3–486–70410–5. 49,80 Euro
Dieser Beitrag über das Buch von Itai Tamari erschien in der Zeitschrift »Aus dem Antiquariat« Neue Folge 11 (2013) Nr. 2.
Wir danken der Redaktion für die freundliche Abdruckerlaubnis. Die Zeitschrift »Aus dem Antiquariat« ist für Bücherfreunde sehr interessant. Näheres unter: mvb-online.de/ada.
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