Verlorene Illusionen: HfG Ulm
Nach 1945 suchte man dringend die Antworten auf die Frage »Wie sollen wir leben?«. Die amerikanische Besatzungsmacht unterstützte diese Bemühungen. Die HFG ist aus der legendären Ulmer Volkshochschule entstanden. Es sollte zuerst eine politisch ambitionierte Hochschule werden. Sie entwickelte sich aber schnell in die Richtung Gestaltung. Sie sollte nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten erforscht und realisiert werden.
Da waren Max Bill, der das schöne Gebäude planen und bauen durfte, Inge Aicher Scholl, Otl Aicher, Max Bense, Tomás Maldonado, Friedrich Vordemberge-Gildewart, Hans Gugelot. Die hoch angesehenen Akteure, die sehr schnell völlig zerstritten waren. Der Unterricht an der HFG startete am 1. August 1953, mit einer sehr kleinen Gruppe Studierender. 1968 war dann alles vorbei. Die ganze Geschichte liest sich ziemlich niederschmetternd.
Dabei gab es trotz aller Streitpunkte so viele gute Ansätze und nachweisbare Erfolge wie die Gestaltung der Braun-Geräte, das Erscheinungsbild der Lufthansa oder später die gesamte visuelle Gestaltung der Olympischen Spiele 1972.
Leider ist die Gestaltung des Buches weder von Ulm, noch von Erkenntnissen heutiger Buchgestaltung »beflügelt«. Ein unentschiedener Satzspiegel des Textbandes mit gelegentlich eingestreuten Abbildungen, das Papier kalkweiß, die Fußnoten im Text grau, die eigentlichen Fußnoten am Schluß des Bandes einspaltig. Die Mitwirkung eines Typografen wäre vielleicht von Vorteil gewesen. Ebenso hilflos wirkt die Gestaltung des Umschlags. Vom Ulmer Geist keine Spur. Das Foto des Titels mag dokumentarischen Wert haben, attraktiv ist so eine gesamte Personenansammlung nicht. Sehr schade für ein so wichtiges und gut geschriebenes Buch.
Christiane Wachsmann
Vom Bauhaus beflügelt
Menschen und Ideen an der Hochschule für Gestaltung Ulm
256 Seiten mit 40 Abbildungen
Hardcover
Avedition Stuttgart, 2018
ISBN 978-3-89986-286-7
29 Euro
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