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Die Bahn aus einem Guss

Martina Kopp
26. August 2013
Man glaubt, die Deutsche Bahn zu kennen: Rot-weißes Logo, fort­während dieselben Züge und auf jedem Bahnhof das stets gleich aussehende Personal. Doch das war nicht immer so, wie Karsten Henze, Leiter Corporate Design, Corporate Identity und Kreation bei der Deutschen Bahn, erklärt.
Karsten Henze bei seinem Vortrag bei der tgm
Karsten Henze, Leiter CI/CD und Kreation der Deutschen Bahn, bei seinem Vortrag vor der tgm

Früher war die Deutsche Bahn mit über 800 verschiedenen zuge­hörigen Bahn­be­treibern vielmehr die »Bunte Bahn«: eine farbenfrohe Mischung verschie­denster Logos und Auftritte. »Die Bahn aus einem Guss« – das war Henzes erklärtes Ziel.

Mit seinem Team von rund 20 Mita­r­beitern hat er die Marken­a­r­chi­tektur des Unter­nehmens neu geschaffen, ein strin­gentes Corporate Design entworfen und dessen Umsetzung in Kommu­ni­kations- und Produkt­design voran­ge­trieben. Dass es nicht einfach sein würde, einem omni­prä­senten, weltweit agie­renden Unter­nehmen mit über 300.000 Mita­r­beitern ein neues Gesicht zu geben, stand außer Frage. Doch mit der Skepsis aus den eigenen Reihen hatte Henze nicht gerechnet: Als Chef des »Kosme­tik­studios der Deutschen Bahn« dürfe er nicht glauben, dass das neue Corporate »Disein auch nur einen Kunden mehr bringt«.

Verhaltene Freude brachten ihm auch die rund 120 Agenturen entgegen, die im Auftrag der Bundesbahn Broschüren und Info­ma­te­rialien erstellen. Henze belegte sie mit Regeln für das Layout im Sinne des neuen Corporate Designs, um einen Wieder­er­ken­nungs­effekt bei Prin­ter­zeug­nissen zu gewähr­leisten. Der Krea­tivchef steht zu dieser Einschränkung von Gestal­tungs­spielraum, schließlich könne man nicht vor jedem Fußballspiel erneut disku­tieren, wie breit das Tor diesmal sein dürfe.  Zudem wird nur auf diese Weise Identität und darüber hinaus Iden­ti­fi­kation mit einem Unter­nehmen erzielt, das von außen oft auf den Bereich »Perso­nen­verkehr« reduziert wird, während die Schwer­punkte »Schie­nennetz« und »Güter­verkehr« eigentlich weit größeren Raum einnehmen.

Doch Henze wollte mehr und über­zeugte den damaligen Bahnchef Mehdorn von der Notwen­digkeit einer eigenen Haus­schrift. Gemeinsam mit Erik Spie­kermann begann man, »etwas Eigenes« zu entwickeln. Nach ersten Anlauf­schwie­rig­keiten (Henze: »Nach einem Jahr haben wir alle Entwürfe wegge­worfen und neu ange­fangen«) und der Klärung essen­tieller Fragen (»Wie aggressiv darf ein W sein, wie euro­päisch ein P?«) wurde 2005 die »DB Type« eingeführt.

Henze hat für die Deutsche Bahn viel erreicht, sieht aber auch noch Potenzial. Dabei kämpft er stets mit der Tatsache, dass Inno­va­tionen, die er heute anstößt, frühestens in eineinhalb Jahren spürbar werden. In dieser Zeit kann sich aber viel ändern, weshalb eine »leis­tungs­starke Kris­tallkugel« ganz oben auf Henzes Wunschliste steht.

Im Vorprogramm: Christoph Dunst und seine Schrift­familie Heimat
Christoph Dunsts (Atlas Font Foundry / burodunst.com) zweite große Schrift­familie nach der Novel heißt »Heimat«. In der 2010 erschienenen Schrift beschäftigt sich der Absolvent aus Den Haag mit der geome­trischen Seri­fenlosen und schafft durch zahl­reiche besondere Glyphen­formen ein charak­ter­volles, neues Schriftbild. Pate standen dabei merk­würdig abstra­hierte Glyphen, wie die fl-Ligatur der Futura. Inter­essant ist dabei, dass die teilweise etwas irri­tie­renden Zeichen durch gewöhn­lichere Alter­nativen ausge­wechselt werden können und somit die Gesamt­wirkung vom Anwender selbst gesteuert werden kann. Die Heimat gibt es derzeit in 6 Gewichten mit zuge­hörigen Kursiven, eine Monospaced-Variante ist in Arbeit.

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