Nachhaltig drucken – Gestaltung umweltgerechter Druckprojekte
Im handlichen Format 12,7 × 19 cm präsentiert sich das Buch handschmeichelnd, gut verarbeitet als flexibler Halbleinenband mit abgerundeten Ecken. Leider rundum beschnitten, was auf Dauer auf die Kosten der Haltbarkeit gehen könnte. Das kunststoffhaltige als »veganes Apfelleder« bezeichnete Material auf den Deckeln erinnert haptisch und auch wegen seiner grünen Farbe an ein Offset-Gummituch, mit der aufwendigen Blind- und Heißfolienprägung wirkt das Ganze aber etwas überkandidelt. Seltsam erscheint das Mitzählen des Umschlags bei der Paginierung. Innen wechseln sich insgesamt 18 verschiedene Frisch- und Sekundärfaserpapiere ab. Zudem kamen neben dem Offsetdruck auch Toner- und Siebdruck, aber auch Risografie zum Einsatz, was weniger ein ernsthaftes, als eher ein kunsthandwerkliches Druckverfahren darstellt – besser geeignet für schicke Hipster-Kleinauflagen als für ein Verlagsprodukt. Layout und Typografie sind nicht nur ansprechend, sondern funktionieren bestens und machen Lust, sich ins Buch zu vertiefen.
Der Autor Marko Hanecke ist ein routinierter Hersteller und dank seiner Ausbildung sein Know-how fundiert. Genauso gut weiß er sich in Szene zu setzen über seinen Newsletter (printelligent.de) und die sozialen Medien, manchmal wiederholen sich seine Posts auf LinkedIn – auch zu diesem Buch – aber gefühlt zu häufig. Im Wechsel mit der Produktionerin Katja Knahn und dem Druckfachmann Mario Drechsler wird Hanecke gerne von der einen Branchenveranstaltung zum nächsten »Papierstreichelsymposium« als Vortragender und Dozent weitergereicht.
Der Autor versteht es gekonnt, die Kriterien einer umweltgerechten Druckproduktion aufzuzeigen, Vor- und Nachteile der verschiedenen Umweltlabels, Materialien und Produktionsverfahren zu beschreiben, miteinander zu vergleichen und abzuwägen. Das Buch ist gut strukturiert in fünf Kapitel, die Sprache verständlich und die Beispiele sind anschaulich und nachvollziehbar. Viele über QR-Codes abrufbare Zusatzinformationen ergänzen den Inhalt und ermöglichen dem Leser, sich tiefer in eine Thematik einzugraben. Hanecke lässt neben den Labels und Zertifizierungen für eine nachhaltige Druckproduktion aber auch Themen wie Formatoptimierung, sinnvolle Druckbogenaufteilung oder Onlinesammeldruck kontra Individualauftrag nicht aus. Umweltmanagementsysteme wie EMAS werden erläutert. Zudem legt er Wert auf realistische Terminplanung – die z. B. weniger nachhaltigen LE-UV-Druck auf Papier überflüssig macht – und das Hinterfragen der Sinnhaftigkeit von Druckveredelungen. Auch animiert er dazu, die Zusammenarbeit mit Druckern und Buchbindern als Partner zu verstehen und ihre Expertise für eine gelungene Realisierung der Druckprodukte zu nutzen.
Ziemlich unkritisch aber geht der Autor mit unregulierten Umweltzeichen um, die reine Selbstdeklarationen darstellen und schlecht hinterfragbar und evaluierbar sind. Dazu gehören beispielsweise das aufgeführte Gmund Eco Zertifikat für die Papiere des Herstellers oder das selbsterfundene Klimaneutral-Label der Holtzbrinck-Buchverlage. Auch unübersehbar ist die Nähe des Autors zur österreichischen Druckerei Gugler (derzeit nach Insolvenzanmeldung im Sanierungsverfahren) und die Lobpreisung des Cradle-to-Cradle-Zertifikats, das Jürgen Zietlow auf umdex.de sehr höflich als ein »nicht schädliches, aber für Print umstrittenes Label« bezeichnet. Die Kriterien dieses Ansatzes sind nämlich nirgendwo öffentlich einsehbar – ganz anders als die Best-in-Class-Umweltzeichen Blauer Engel oder EU Ecolabel. Für ungenügend deinkbare Druckfarben, farbige und deshalb nicht für die Herstellung von Recyclingpapieren geeignete Papiere, aber auch die Produktion ganzer Verlagskonzerne stellt es dennoch eine gern genommene Zertifizierung dar, falls es für ein ernsthaftes Zertifikat einfach nicht reichen will. Nicht zu kurz kommen bei Hanecke aber durchaus Schlagworte wie Greenwashing und die von der Verbraucherzentrale als irreführend abgemahnte werbliche Aussage »klimaneutral«. Ohne Klimaemissionen erst mal zu vermeiden sei eine Klimakompensation nämlich wenig wert. Ruhig härter ins Gebet nehmen hätte er die schlechte Rezyklierbarkeit der HP Indigo-Drucke (für Fotobücher der Auflage 1 weit verbreitet) und der wasserlöslichen Tinten der HP Web Presses. Wenn die großen Buchfabriken CPI oder GGP damit nämlich alle Textbücher bis Auflage 3000 produzieren (so hieß es vor Jahren zumindest), lässt sich schnell erahnen, welch massive »Vergräulichung« das für die Recyclingpapierproduktion bedeuten wird.
Somit das Fazit des Verfassers: Mit Einschränkungen empfehlenswert!
Verlag Hermann Schmidt, Mainz 2023. 284 Seiten, 32 Euro. ISBN: 978–3–87439–974–6
22.5.2024: Interessant hierzu auch Jürgen Zietlows Meinung zu diesem Buch auf https://www.umdex.de/nachhaltig_drucken_mit_siegeln/