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zitate
Buchbesprechung

Die Schwarze Kunst lebt

Rudolf Paulus Gorbach
23. März 2025
Gedichte Christian Morgen­sterns wieder in Blei gesetzt, in einer histo­rischen Technik visu­a­lisiert mit Bleisatz, Buchdruck, hand­ge­schöpftem Papier und von Hand gebunden. Und das im Zeitalter der KI!
Bleisatz-Seite für einen Text von Christian Morgenstern.
Eine Bleisatzseite aus dem Buchprojekt »Mein Morgenstern«.

Texte visu­a­li­sieren ist für Typo­grafen ein besonderes Vergnügen. Denn oft entsteht beim Setzen von glattem Satz (das ist Satz in großen Mengen, Buchstabe für Buchstabe) eine Sehnsucht nach künst­le­rischer Tätigkeit. Und der gehen Mitglieder des Vereins für die Schwarze Kunst nach. Dabei hat diese Art Texte zu visu­a­li­sieren eine große Tradition von barocken Figu­ren­ge­dichten bis zu typo­grafisch visu­a­li­sierten Gedichten des 20. Jahr­hunderts.

Den Verein für die Schwarze Kunst gibt es schon seit 2013. Es geht dabei um das Bewahren  hand­werk­lichen Könnens beim Schrift­gießen, Handsatz und Buchdruck zu fördern und die Wissens­ver­mittlung an nach­folgende Gene­ra­tionen zu unter­stützen. Was dabei besonders verdienstvoll ist, ist die Ausbildung von Nachwuchs mit Hilfe einer tradi­ti­o­nellen Walz. Eine groß­artige Idee um das hand­werklich-tradi­ti­onelle Wissen und Können zu erhalten.

Jetzt hat der Verein ein sehr großes Projekt hervor­ge­bracht: Gedichte von Christian Morgenstern werden visu­a­lisiert. Das geschieht natürlich im Handsatz in Blei und wird auch im Buchdruck gedruckt. Harald Klein hatte 1986 im Verlag Urachhaus 30 Galgen­lieder im »Lichtsatz« visu­a­lisiert. Hans Peter Willberg schrieb dazu in einem Vorwort: »Fünf­hundert Jahre hat es gedauert, bis es licht geworden ist in der Typo­grafie. Durch den Lichtsatz wurde das Wort vom Blei frei … Doch die Dichter und Denker haben das noch nicht durch­schaut, sie denken weiterhin in Blei.«

Doch jetzt ist das Blei wieder zurück. 60 Seiten von Morgenstern sind in einer neuen Blei­satz­ausgabe realisiert. Gestaltet von 29 Blei­set­ze­rinnen/Designer, in 6 verschiedenen Pressen gedruckt auf hand­ge­schöpften Papieren und von 22 Buch­bin­de­rinnen hand­ge­bunden (viele Männer waren auch dabei). Das Orga­ni­sa­to­renteam bestand aus Willi, Beck, Heike Schnotale und Theresa Wedemeyer.

Die typo­gra­fischen und künst­le­rischen Seiten im Buch über­zeugen nicht nur durch ihren technisch oft kompli­zierten Aufbau (siehe Foto). Sie sind eine erfreuliche Lyrik-Visu­a­li­sierung. Christian Morgenstern scheint sich da besonders zu eignen. Die Gedichte wieder zu lesen ist vergnüglich und es empfiehlt sich zur Ergänzung die Ausgabe »Alle Galgen­lieder« bei der Büchergilde Gutenberg.

Mein Morgenstern

In Zusam­me­n­arbeit mit dem Verein für die Schwarze Kunst, dem Verein Meister der Einbandkunst und der Papiermühle Homburg entstand zum 111. Todestag des Lyrikers das Buch Mein Morgenstern. Von Hand geschöpft, indi­viduell gesetzt, gedruckt und gebunden, präsentiert es in biblio­philem Gewand Morgen­sterns komisch-kreative Gedichte.

Die limi­tierte Auflage von 111 Exem­plaren erscheint in 22 unter­schied­lichen Einband-Varianten, jeweils gestaltet von 22 verschiedenen Einband­künstler:innen exklusiv bei der Büchergilde.

Hand­ge­bunden, Inhalt gedruckt auf hand­ge­schöpftem Papier (Papiermühle Homburg), Faden­heftung, 60 Seiten, Buch­ge­staltung und Herstellung vom Verein für die Schwarze Kunst und Verein Meister der Einbandkunst, in Stülp­de­ckel­schachtel.
450 Euro
https://www.buechergilde.de/mein-morgenstern
Und das Buch wird an zahl­reichen Orten ausge­stellt und vorge­stellt. Siehe:
https://www.verein-fuer-die-schwarze-kunst.de