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Buchbesprechung

Basiskompetenz und Herausforderungen des Kommunikationsdesigns

Rudolf Paulus Gorbach
5. Januar 2025
Über­bordende Infor­ma­ti­onsflut, Künstliche Intel­ligenz, Social Media Amateur­ge­stal­tungen und die Arbeits­si­tuation im Desi­gnbereich brauchen einmal mehr neues Nach­denken und Handeln im Kommu­ni­ka­ti­ons­design. Ein neues Buch von Ulysses Voelker und Michael Schmitz könnte hier weiter­helfen.
Cover des flexiblen und gut aufschlagbaren Festbandes

»Wissen macht uns verant­wortlich«, wird in diesem Buch Che Guevara zitiert. Wissen muss man aber erst einmal sich aneignen. In diesem Buch geht es um das sich momentan stark verän­dernde Wissensfeld des Kommu­ni­ka­ti­ons­designs. 

Als »Rück­be­sinnung auf die Voraus­set­zungen und das Umfeld gestal­te­rischen Handelns ist [es] so wichtig, weil es eine Vielzahl von Faktoren gibt, die Desi­g­ne­rinnen und Designer aktuell beschäftigen», so die Autoren in der Einleitung. Und auch wer schon lange in der Branche arbeitet kommt nicht zu kurz.

Die Denkweise, wie dieses Buch inhaltlich gegliedert ist, hat mich gleich fasziniert. Der Hauptteil des Buches besteht aus vier Themen­blöcken: Struktur und Prin­zipien, Ausdif­fe­ren­zie­rungen, Wertende Faktoren und Heraus­for­de­rungen. 

Unter »Struktur und Prin­zipien« geht es um die Empfänger von visueller Kommu­ni­kation, um die Möglich­keiten der Wahr­nehmung, aber auch, dass visuelle Kommu­ni­kation verführen kann. Grund­prin­zipien der Sender visueller Kommu­ni­kation werden prin­zipiell erläutert, wie der Prozess in der visuellen Kommu­ni­kation, das Grund­prinzip der visuellen Rhetorik und die medialen Gesetze für die verschiedenen Medi­en­sorten.Eine nötige struk­tu­rierte Vorge­hensweise wird besonders betont.

Im Teil »Ausdif­fe­ren­zie­rungen« wird anhand einer Geschichte von Umberto Eco an die Semiotik erinnert und was das für die visuelle Kommu­ni­kation bedeutet. Welche Relevanz ergibt sich daraus, welche kultu­rellen Konven­tionen sind zu berück­sichtigen? Ordnende Systeme aller Art gehen quer durch die Gesell­schaft. So wird beispielsweise auf Adrian Frutigers morpho­lo­gische Tabelle hinge­wiesen, die Erwar­tungen beim Lesen werden kurz erwähnt. Modi­fi­zierte Kompo­nenten zwischen­mensch­licher, aber auch geschmack­licher Art führen zu den Ziel­gruppen des Kommu­ni­ka­ti­ons­designs. Unter den zeit­be­zogenen Faktoren ordnen die Autoren die Technik ein, deren Entwicklung jeweils die visuelle Kommu­ni­kation stark prägt, aber auch die Gesell­schaft selbst, wie sie sich in Stilen der Epochen zeigt. Das beginnt im Buch bei der »Schweizer Grafik« und geht über Hippie, Punk bis zur heutigen Situation und ihrer sehr verschiedenen Ausrich­tungen.

Die »wertenden Faktoren« unter­suchen die eigenen quali­tativen Ansprüche der Gestal­tenden. Gute Gestaltung wird vom ästhe­tischen Empfinden aus geprägt. Und da ist man erst einmal bei den Möglich­keiten guter Propor­tionen, kommt auf die Entwicklung und Qualität von Schriften zu sprechen und ist schließlich bei der Frage, was gutes Design ausmacht, langt bei den Funk­tionen von Design an. Immer­währende Prozesse verändern die Ansprüche, weswegen die Geschichte der Gestaltung für uns so wichtig und aufschlussreich ist. Kitsch und Hoch­kultur werden untersucht um gestal­te­rische Wirk­me­cha­nismen zu zeigen. Denn Entwurf bedeutet immer auch Verant­wortung und damit sind wir bei der Haltung des Designers angelangt. Sind Designer Dienst­leister oder Berater? Hier folgt das Zitat des Mani­festes von 2020 »F1rst Things F1rst« (im Buch auf Seite 107).

Im vierten Teil »Heraus­for­de­rungen« geht es darum, dass Gestalter dauernd etwas Neues hervor­bringen und Über­ra­schungen liefern sollten. Gleich­zeitig muss an Seher­fah­rungen und Konven­tionen angedockt werden. Was macht das Bewährte für uns aus und wie entsteht Neues (zwischen Absicht und Form­gebung, den Moden, dem Zufall und durch kulturelle Vielfalt)? Was macht heute die aktuelle Uniformität beispielsweise bei der Maga­zin­ge­staltung für uns aus? Hier sind die Autoren am Dilemma in der heutigen Zeit angelangt. Laien bekommen auch halbwegs uniforme Gestaltung hin. Gut ausge­bildete Designer sorgen dagegen für Vielfalt. Doch dazu gehört auch ein sich ständig Über­prüfen und eventuell Verändern.

Damit ist das Buch aber nicht zu Ende, denn anschließend an den eben bespro­chenen Inhalt kommt ein sehr umfangreich teil von Quellen, Fachtexte und Bücher hinzu. Anhand deut­licher Verweis­ziffern (von 001 bis 283) gibt es hier hervor­ragend ausge­suchte Texte, Kommentare und Bilder. Die folgen einem besonderen Layout im Buch, sind allein höchst anregend; prachtvoll für die Lesenden. Dieses Buch ist notwenig und sehr sinnvoll für unsere Branche.

Ulysees Voelker, Michael Schmitz
was kommu­ni­ka­ti­ons­design kann
Prin­zipien, Inspi­ra­tionen, Heraus­for­de­rungen
336 Seiten mit zahl­reichen Abbil­dungen
Flexibler Festband
Niggli Verlag, Salenstein 2024
49,90 Euro
ISBN 978–3–7212–1042–2